Auf dem Weltverkehrsforum in Leipzig werde ich meinen 53 Amtskollegen aus aller Welt vier wichtige Neuerungen vorschlagen
Kommende Woche (2. bis 4. Mai) wird Leipzig wieder zur internationalen Drehscheibe des Verkehrs. Zum fünften Weltverkehrsforum kann ich meine Amtskollegen aus 53 Staaten der Welt in der Messestadt begrüßen. Das Motto lautet in diesem Jahr "Nahtloser Verkehr". Für mein Haus, das Bundesverkehrsministerium, bedeutet das vor allem, dass der Verkehr der Zukunft unter zwei Prämissen steht: Er muss sicher und innovativ sein. Mich treibt bei Thema Sicherheit ganz besonders die Schiffssicherheit um.
Die Havarie der "Costa Concordia" im Januar hat uns wohl alle tief bewegt. Es liegt auf der Hand: Wir müssen die Sicherheit von Passagierschiffen verbessern! Dies gilt umso mehr angesichts der immer größer werdenden Kreuzfahrtschiffe.
Kreuzfahrten sind einer der größten Wachstumsbereiche im Tourismussektor. Bereits heute haben die Schiffe bis zu 10 000 Personen an Bord und fahren auch in sehr entlegene Gebiete, zum Beispiel in die Polarregion. Daher muss die Schiffsbesatzung möglichst lange selbst in der Lage sein, das Schlimmste zu verhindern. Ich habe ein Maßnahmenpaket entwickeln lassen, das auch bei schon in Fahrt befindlichen Kreuzfahrtschiffen die Sicherheit deutlich erhöht.
Auf dem Gipfel in Leipzig werde ich diese Vorschläge mit meinen Amtskollegen, dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Siim Kallas, und dem Generalsekretär der Interna-tionalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) diskutieren, um sie schnellstmöglich in der IMO weltweit verpflichtend einzuführen.
Ganz konkret will ich vier wichtige Punkte in den Vordergrund stellen:
1. Die international verbindlichen Vorschriften für Rettungsmittel an Bord müssen auf den aktuellen Stand der Entwicklung gebracht werden. Denn die aktuellen Standards beruhen auf dem Entwicklungsstand von 1980.
2. Für jedes einzelne Kreuzfahrtschiff, insbesondere für die großen, müssen schon im Entwurf Evakuierungsszenarien simuliert werden, die für Kreuzfahrten typische Situationen umfassen. Eine allgemeine Evakuierungsanalyse wie bisher reicht nicht.
3. Die Reedereien müssen noch strenger gemäß den geltenden Vorschriften zusätzlich zum Kapitän eng in die Verantwortung für das Sicherheitsmanagement einbezogen werden. Das betrifft Schiffsbesatzungen, Einsatzplanung und den täglichen Betrieb.
4. Fortentwicklung der elektronischen Seekarten: Eine weltweite Pflichtausrüstung für neu gebaute Fahrgastschiffe mit elektronischen Seekartensystemen wird am 1. Juli 2012 in Kraft treten. Viele der modernen Kreuzfahrtschiffe sind schon mit solchen Systemen ausgestattet. Der Automatisierungsgrad ist dabei hoch. Die Schiffe fahren häufig automatisch auf einer vorher bestimmten Bahn. Die Bedienung ist komplex und stellt hohe Anforderungen an die Besatzungen. Manuelle Steuerung findet üblicherweise nur noch im Nahbereich der Häfen und beim An- und Ablegen statt. Viele der Gebiete, die von Kreuzfahrtschiffen aufgesucht werden, befinden sich abseits der Hauptschifffahrtsrouten. Dort kann die Qualität der elektronischen Seekarten problematisch sein. Das trifft vor allem auf fast ganz Afrika und teilweise auf Mittel- und Südamerika sowie Ozeanien zu. Sehr wenige Daten gibt es auch in beiden Polargebieten.
Viele dieser Gebiete werden zunehmend von der Kreuzfahrtschifffahrt aufgesucht, die weltweit rund 500 Schiffe mit zunehmender Tendenz betreibt. Allein in der Antarktis wurden im vergangenen Jahr 40 000 Besucher auf rund 50 Kreuzfahrtschiffen gezählt.
All dies sind wichtige Zahlen und Fakten - hinter jeder können im Ernstfall Schicksale und Menschenleben stehen. Daher ist es mir wichtig, weltweit zu einheitlichen und verbindlichen Standards und Regeln zu kommen. Das Weltverkehrsforum ist eine geeignete Plattform, Schiffssicherheit zu problematisieren, zu diskutieren und weiter voran zu bringen.