Montblanc und andere Unternehmen massiv betroffen. Chinesen geloben Besserung. Experten raten Firmen zur Patentanmeldung.
Hamburg. Der deutsche Maschinenbau hat durch Produktpiraterie im vergangenen Jahr massive finanzielle Schäden erlitten. "Wir schätzen den Umsatzverlust, der den deutschen Maschinen- und Anlagenbauern 2011 durch Produktpiraterie entstanden ist, auf 7,9 Milliarden Euro, eine Steigerung um 24 Prozent", teilte der Präsident des Maschinenbauverbands VDMA, Thomas Lindner, zur Hannover Messe mit. Ein Umsatz in dieser Höhe würde 37 000 Arbeitsplätze sichern, wie eine VDMA-Studie ergab. Sie basiert aufeiner Umfrage des Verbands unter rund 400 Mitgliedsfirmen.
China, das Partnerland der diesjährigen Hannover Messe, wird im Zusammenhang mit illegalen Kopien von Industriegütern "mit Abstand am häufigsten genannt", erklärte Lindner. Die Zahl der Fälle in dem Land gehe inzwischen aber zurück. "Dagegen nehmen Plagiate aus Deutschland zu", so Lindner. Deutschland werde hier mittlerweile am zweithäufigsten genannt.
Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao hatte am Sonntagabend bei der Eröffnung der Messe eine striktere Einhaltung der Urheberrechte in seinem Land angekündigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, beim Schutz geistigen Eigentums habe sich die Lage bereits gebessert: "Wir haben auf diesem Gebiet Fortschritte erzielt."
Laut der Zollstatistik 2011 stammten aber mehr als 75 Prozent der aufgegriffenen Waren aus der Volksrepublik China oder Hongkong, sagte Philipp Hanske, Referent beim Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), dem Abendblatt. Je nach Branche gebe es noch weitere auffällige Herkunftsländer, wie zum Beispiel die Türkei (Kleidung) oderIndien (Arzneimittel); denn kopiert würden nicht in erster Linie Industrieprodukte. Vor allem Kleidung, Schuhe und Uhren seien betroffen, so Hanske.
+++ China ist Partner der weltgrößten Industrieschau +++
Leidvolle Erfahrungen hat auch das Hamburger Unternehmen Montblanc, Hersteller exklusiver Schreibgeräte, gemacht. "Nicht nur einzelne Produkte, sondern komplette Boutiquen wurden in China kopiert", hieß es von Montblanc. Man habe bereits mehrere Razzien veranlasst. Das gesamte Angebotsspektrum - auch Uhren und Lederwaren - werde nachgemacht. Mittlerweile arbeite man jedoch erfolgreich mit den chinesischen Behörden zusammen, um Fälscherwerkstätten zu schließen. Daher sei das Problem nicht mehr so groß wie vor zehn Jahren.
Neben Montblanc dürften auch andere Hamburger Firmen geschädigt werden. "Jeder, der ein relativ bekanntes Produkt hat, ist potenziell betroffen", sagte Michael Kuckartz, Leiter des Innovations- und Patentzentrums der Handelskammer Hamburg. "Die meisten Unternehmen wissen gar nicht, dass sie Opfer von Produktpiraten sind. Andere wissen es zwar, wollen aber nicht darüber reden, um Kunden nicht zu verschrecken." Kuckartz rät, Produkte durch Patente sowie die Anmeldung von Marken- oder Geschmacksmusterschutz zumindest juristisch besser gegen Fälschungen zu sichern.
Auch nach Auffassung von Hanske ist die Anmeldung die wichtigste und effektivste Möglichkeit, geistiges Eigentum in China zu schützen. Denn ohne Anmeldung sei das Kopieren in vielen Fällen legal.
China ist zum zweiten Mal nach 1987 Partnerland der Hannover Messe und fungiert heute als eine der Lokomotiven der Weltwirtschaft: Die Wirtschaft des Landes legte im ersten Quartal 2012 um etwas mehr als acht Prozent zu. Laut Schätzungen der Außenhandelsagentur GTAI bestreitet China etwa elf Prozent des weltweiten Exports, auf Deutschland entfallen etwa neun Prozent. Die USA kommen ebenfalls auf neun Prozent, Japan auf 4,7 Prozent.
Chinas Bedeutung für den Hamburger Außenhandel steigt rasant. Seit Jahren schon gehört die Volksrepublik zu den Top 10 der Außenhandelspartner Hamburgs, doch mittlerweile ist China nach Frankreich zu Hamburgs wichtigstem Außenhandelspartner im Import (8,1 Milliarden Euro) aufgestiegen. Im Export nimmt China - hinter Frankreich und Großbritannien - Platz drei ein (3,1 Milliarden Euro).
Damit hat die Hansestadt einen Anteil von 10,2 Prozent an den bundesdeutschen Importen aus China und einen Anteil von etwa 4,8 Prozent an den Ausfuhren dorthin. Die wichtigsten Importgüter Hamburgs im Außenhandel mit China sind Schiffe, elektronische Geräte und Bekleidung. Die wichtigsten Exportgüter Hamburgs nach China sind Flugzeuge, Kupferprodukte sowie Maschinen und Anlagen.
China ist seit etlichen Jahren der wichtigste Handelspartner des Hamburger Hafens im Containerverkehr. Im vergangenen Jahr hatte mehr als ein Drittel aller im Hafen umgeschlagener Container mit China (einschließlich Hongkong) zu tun.