Arbeitnehmer und Geschäftsführung des Airbus-Zulieferers streiten vor Gericht. IG Metall fürchtet Verdrängung von Festangestellten.

Hamburg. Die Kette der Verhandlungstermine vor dem Arbeitsgericht reißt in den nächsten zwei Monaten nicht ab. Die Geschäftsführung des Flugzeugzulieferers Diehl Comfort Modules wehrt sich gegen den eigenen Betriebsrat. Der Grund: Immer wieder haben die Arbeitnehmervertreter in den vergangenen Monaten die Einstellung von mehreren Dutzend Leiharbeitern abgelehnt. "Wir wollen, dass neu eingestellte Kollegen zumindest befristete Stellen erhalten", fordert der Betriebsratsvorsitzende Thomas Wolf. Der Arbeitgeber sieht das anders und hat in den ersten beiden Verhandlungen recht bekommen. "Der Betriebsrat darf der Beschäftigung von Zeitarbeitern nur widersprechen, wenn die Einstellungen neuer Mitarbeiter gegen das Gesetz verstoßen würde, also etwa schwangere Frauen an Röntgengeräten arbeiten sollten", erklärt Arbeitsrichterin Birgit Voßkühler ihren Beschluss.

+++Metall-Tarifrunde für den Norden auf Ende März vertagt+++

+++Das teure Jobwunder+++

Für die Arbeitnehmer, ihren Rechtsanwalt Ignatz Heggemann und die IG Metall ist die Auseinandersetzung damit jedoch nicht beendet. Sie hat für sie grundlegende Bedeutung. Denn die Gewerkschaft will stärker mitreden, wenn Stellen mit Leihkräften statt mit festen Mitarbeitern besetzt werden. Die Forderung ist in den laufenden Tarifverhandlungen verankert - und damit neben den Lohnerhöhungen eines der wichtigsten Themen.

Der Hintergrund: Die Gewerkschaft fürchtet, dass immer mehr feste Stellen durch Leiharbeit verdrängt werden, wie IG-Metall-Chef Berthold Huber sagt. "Wichtig für uns ist, wie viele Stellen mit Leiharbeitern besetzt und welche Jobs ausgesucht werden, dazu auch, wie lange Leiharbeiter in der Firma bleiben", sagt Meinhard Geiken, der Bezirksleiter der IG Metall Küste. Dazu geht es der Gewerkschaft um eine Angleichung der Löhne. Denn die Verdienste von Leiharbeitern liegen nach Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung für die Bertelsmann-Stiftung im Schnitt um bis zu 47 Prozent niedriger als bei anderen Angestellten.

Als neuen Trumpf im Kampf gegen die Leiharbeit sieht Anwalt Heggemann jetzt eine EU-Richtlinie, die Deutschland Anfang Dezember ins Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung eingefügt hat. Dort heißt es: "Die Überlassung an Entleiher erfolgt vorübergehend." "Vorübergehend ist für uns aber nicht, dass einzelne Leihkräfte seit acht Jahren und viele zumindest seit zwei Jahren im Betrieb sind", sagt Diehl-Betriebsrat Wolf. Sowohl in der Auftragssteuerung, dem Vertrieb, der Qualitätssicherung und im Personalwesen würden Leiharbeiter eingesetzt. Insgesamt beschäftigt die im Juni 2010 vom Nürnberger Rüstungs- und Technologiekonzern Diehl übernommene Hamburger Tochter (ex Dasell) derzeit 190 Leiharbeiter und 500 Festangestellte, die Waschräume und Toiletten für alle Airbus-Jets bauen.

+++Leiharbeit in Metallbranche steigt drastisch+++

Für Betriebsrat Wolf ist klar: "Leiharbeit muss auf sechs, höchstens zwölf Monate begrenzt werden." Doch gesetzlich ist bisher keine Dauer festgelegt und so auch nicht, was geschieht, wenn Leiharbeiter länger als "vorübergehend" beschäftigt bleiben. "Darüber werden Gerichte entscheiden, wenn Arbeitnehmer direkt gegen zu lange Beschäftigung als Leiharbeitnehmer klagen", sagt Richterin Voßkühler. Dennoch sind die Arbeitnehmer nicht bereit, ihre Einsprüche gegen Leiharbeiter bei Diehl zurückzunehmen. Der nächste Gerichtstermin ist am 18. April. "Wir behalten uns zudem vor, Beschwerde gegen die erste Entscheidung beim Landesarbeitsgericht einzulegen", so Anwalt Heggemann.

Hoffnung für eine außergerichtliche Einigung zieht er zudem aus einer Überlegung der Richterin. Die hatte in der Verhandlung die Frage aufgeworfen, ob ein Leiharbeiter auf einem Dauerarbeitsplatz nicht auf Festanstellung klagen könne. "Die Rechtslage ist aber unsicher", räumte Voßkühler ein.

Immerhin: Heggemann sieht in dem Votum eine Chance für neue Verhandlungen im Betrieb. "Wir haben den Arbeitgeber aufgefordert, mit uns einen Zukunftstarifvertrag zu schließen", sagt IG-Metall-Sekretär Martin Geißler. Darin sollen die Dauer für ein Leiharbeitsverhältnis, Regeln für die Übernahme in unbefristete Anstellungen und zudem gleicher Lohn für gleiche Arbeit vereinbart werden. Noch erhalten Leihkräfte bei Diehl laut Betriebsrat zum Teil 30 Prozent weniger als festangestellte Kollegen. Die Geschäftsführung von Diehl äußerte sich weder zu ihrer Strategie noch zu den Beschlüssen des Gerichts. "Für unsere Gespräche haben wir viel Zeit eingeplant", sagt Geißler. Die Termine reichen bis Ende September.