Die Beiersdorf-Tochter bringt zukünftig Medikamente auf die Haut und entwickelt darüber hinaus einen neuen Hochleistungskleber.
Hamburg. Der Hamburger Klebespezialist Tesa steht vor einem innovativen Jahr. Gleich zwei Technologien will die Beiersdorf-Tochter in diesem Jahr einführen. So gehen ab Herbst die ersten transdermalen Pflaster in Produktion, die Wirkstoffe von Medikamenten enthalten und somit eine Alternative zur Einnahme von Pillen werden können. Tesa entwickelt im Auftrag von Pharmakonzernen die arzneimittelhaltigen Klebepflaster und stellt sie her. Seit 2007/08 arbeitet das Unternehmen am Aufbau des neuen Geschäftsfeldes, vor knapp einem Jahr kam die Zulassung der eigens dafür errichteten Reinraumproduktion. "Bei der Herstellung der Pflaster verarbeiten wir Arzneimittel, damit sind anspruchsvolle Genehmigungsverfahren verbunden", begründet Tesa-Chef Thomas Schlegel die Zeitspanne zwischen Zulassung und Produktionsstart. Nun hat Tesa auch diese Hürde übersprungen und verhandelt derzeit mit Pharmakonzernen.
"Vor allem Schmerzmittel und Medikamente gegen Krankheiten des Zentralen Nervensystems wie Alzheimer oder Parkinson können künftig mit unseren Pflastern verabreicht werden", sagt Schlegel. Gerade die von diesen Krankheiten betroffenen älteren Patienten haben oft Probleme beim Schlucken von Tabletten. Zudem können Arzneien, die den ganzen Tag über wirken sollen, besser dosiert und die Leber weniger belastet werden. Statt mehrmals täglich eine Tablette zu nehmen, reicht ein Pflaster, das die Medikamentenmenge bedarfsgerecht über einen bestimmten Zeitraum hinweg dosiert. Schlegel erwartet zwar in diesem Jahr noch keine Umsatzsprünge infolge der Innovation aus dem Hamburger Unternehmen. "Aber spätestens 2018 bis 2020 wollen wir mit unseren transdermalen Pflastern rund 50 Millionen Euro im Jahr erlösen."
+++ Tesa erwartet nach Rekordjahr Gewinnzuwachs +++
Auch die nächste Innovation ist laut Schlegel vielversprechend. Die von dem Unternehmen entwickelte ACX-Technologie zur lösemittelfreien Beschichtung doppelseitiger Acrylat-Klebebänder sei nicht nur umweltschonend, sondern ermöglicht darüber hinaus bei Hochleistungsklebmassen hohe Schichtdicken mit stärkerer Klebkraft. So können mit den Klebebändern sogar Solarpanele für das Dach befestigt werden. Galt bisher, dass Kleber am besten auf glattem Untergrund haften, so können die neuen Bänder auch auf rauen Flächen eine enorme Festigkeit entwickeln. "Mit Produkten der ACX-Technologie kann man Leuchtschilder für Geschäfte oder Außenwerbung zusammenbauen oder auch Fassadenelemente an Gebäuden anbringen, ohne eine Schraube zu benötigen", so Schlegel, der vor allem die Bauindustrie für die ACX-Technik im Fokus hat.
Aber auch Privatkunden sollen am Ende von der Produktentwicklung profitieren. Vorerst bringt Tesa neue Haken auf den Markt, die zum Beispiel im Badezimmer auf die Fliesen geklebt bis zu zwölf Kilo Gewicht tragen können. Und das neue Tesa-Powerband, das bereits in Baumärkten angeboten wird, soll sogar bis zu 100 Kilogramm Gewicht pro Meter halten können.
Nur noch rund 20 Prozent seines Geschäfts macht der Klebespezialist mit Privatkunden. Der Rest des Umsatzes, der 2011 mit 947 Millionen Euro um 7,3 Prozent höher lag als 2010, entfällt auf Industriekunden. Mit Spezialfolien und -klebern vor allem für die Elektronik- oder Autobranche erwirtschaftete das Unternehmen ein betriebliches Ergebnis in Höhe von 109 Millionen Euro. Zwar seien die Aussichten für dieses Jahr wegen der Krise von Unsicherheiten gekennzeichnet, aber Schlegel zeigt sich für die mittelfristige Zukunft optimistisch.
"Wir haben das Glück, dass wir nicht nur über Innovationen verfügen, sondern inzwischen auch auf den großen wachsenden Märkten dieser Welt vertreten sind", so der Tesa-Chef.
+++ Ausschuss billigt Planungskonzept von Tesa +++
Derzeit die interessanteste Region sei Asien, und dort vor allem China. In dem wirtschaftlich boomenden Land betreibt Tesa ein eigenes Werk, das laut Schlegel ständig vergrößert wird. Zurzeit baut er dort die Forschung aus, ohne damit den Hauptforschungsstandort Deutschland zu beschneiden. Derzeit beschäftigt das Unternehmen weltweit mehr als 360 Forscher, davon rund 300 im Hamburger Forschungs- und Technologiezentrum. Mittelfristig soll die Zahl weltweit auf 400 steigen. Auch der Vertrieb in Asien soll ausgebaut werden. Zudem feilt das Unternehmen mit Produkten für Endverbraucher am Markteinritt in Brasilien.
"Wir müssen in den Märken präsent sein, in denen auch unsere Kunden sind", so Schlegel. In Asien etwa produziert und liefert das Unternehmen Klebefolien für Hersteller von Handys, Tablett-Computern und anderen Geräten. "Hightech auf kleinstem Raum sorgt auch für unerwünschte Nebenwirkungen. Bauteile wie Prozessoren heizen sich enorm auf, manchmal auf bis zu 100 Grad", so Schlegel. "Um Schäden zu vermeiden, muss die Hitze abgeleitet werden. Hierbei spielen hochmoderne Klebebänder eine große Rolle."
Im Sommer will Tesa mit Spezialklebebändern auf den Markt kommen, die zehnmal dünner sind als ein Haar und über eine Grafitschicht Wärme ableiten. "In solch technisch anspruchsvollen Produkten, die weit mehr können als nur kleben, liegt unsere Zukunft", so Schlegel.