800 Experten treffen sich zum 7. Extrem-Wetterkongress in Hamburg. Vorgestellt werden unter anderem verbesserte Prognose-Möglichkeiten.

Hamburg. Stürme, heftiger Regen, Überschwemmungen – extreme Wetterereignisse werden in Deutschland in den kommenden 30 Jahren weiter zunehmen. „Wir werden uns anpassen müssen“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, Paul Becker, am Dienstag beim 7. Extremwetterkongress in Hamburg. Ganz wichtig sei die Entwicklung guter Warnsysteme, die Leben retten könnten. Die Zahl wetterbedingter Naturkatastrophen hat sich in Deutschland seit den 1970er Jahren mehr als verdreifacht. Das geht aus Daten des weltweit größten Rückversicherers Munich Re hervor.

„Veränderungen in der Atmosphäre tragen einen Anteil daran, dass hier immer mehr Wetterextreme auftreten“, sagte Professor Peter Höppe, Leiter der Georisikoforschung der Munich Re. Der Klimawandel wird nach Ansicht der Experten weiter voranschreiten. Die angestrebte Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad sei nur noch theoretisch möglich. Das signalisierten die weltwirtschaftlichen Entwicklungsszenarien der kommenden Jahrzehnte.

Grund für die Erwärmung sei der Anstieg des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid (CO2), erklärte Professor Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Das Jahrzehnt 2000 bis 2009 sei das wärmste seit Beginn der flächendeckenden instrumentellen Messungen gewesen. Langfristig würden die Temperaturen noch weiter klettern, davon dürften kurze „Atempausen“ beim Anstieg nicht ablenken. „Deshalb müssen wir beim Klimaschutz vorankommen.“

Die Zunahme extremer Wettereinflüsse habe Auswirkungen auf die Energieversorgung, betonte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Weil Deutschland in den kommenden vier Jahrzehnten den Anteil der erneuerbaren Energien auf 80 Prozent erhöhen wolle, steige die Anfälligkeit für Naturkatastrophen. Die Windgeschwindigkeit beispielsweise werde zeitweise geringer, dann wieder stärker als bisher. Das sei für die Windkraftanlagen problematisch, sagte Kemfert.

Extreme Stürme könnten zudem die Stromleitungen beeinträchtigen. Die Zunahme extremer Wetterphänomene bringe die Energiewende zwar nicht in Gefahr, aber man müsse sich auf eventuelle Ausfälle vorbereiten. Es sei wichtig, die Netze auszubauen und innovative Stromspeicher zu schaffen, sagte Kemfert.

+++Mehr als 100 Experten gegen „unseriöse Wettervorhersagen"+++

Der Klimawandel könnte nach Ansicht des Wetterexperten Frank Böttcher eine immer größere Gefahr für die Gesundheit darstellen. „Wir müssen damit rechnen, dass in den kommenden 50 bis 100 Jahren die Temperatur im Durchschnitt bis zu fünf Grad Celsius ansteigt“, sagte Böttcher, Geschäftsführer des Hamburger Institutes für Wetter- und Klimakommunikation. Dadurch klettere das Thermometer im Sommer häufiger über die 40-Grad-Marke und sinke auch in der Nacht nicht unter 20 Grad Celsius ab. Daraus ergebe sich eine deutlich höhere Belastung für Kreislauf und Gesundheit, sagte Böttcher.

Thema des Extremwetterkongresses sei unter anderem eine Untersuchung des Karlsruher Institutes für Technologie zum Einfluss des Wetters auf die Geburts- und Sterberaten, sagte Böttcher. Ein solcher Zusammenhang habe sich etwa im Sommer 2003 in Paris gezeigt. Durch dauerhafte Temperaturen um 30 Grad Celsius sei die Zahl der wetterbedingten Todesfälle deutlich angestiegen. Das habe aber nicht nur daran gelegen, dass die Menschen zu wenig getrunken hätten, sondern am genauen Gegenteil, wie der Wetterexperte sagte. „Die Menschen haben teilweise zu viel getrunken und sind dadurch entsalzt.“

Aber nicht nur extreme Wetterereignisse stehen auf dem dreitägigen Kongress zur Diskussion. Auch Fortschritte bei der alltäglichen Wetterprognose sollen vorgestellt werden. Denn kaum etwas habe einen „so kurzfristigen Einfluss auf unsere tägliche Handlungsweise“ wie der Wetterbericht im Radio oder Fernsehen. „Wir hören: Morgen wird es sonnig und mild. Und dementsprechend wählen wir unsere Kleidung und planen, was wir unternehmen“, sagte Böttcher. So arbeitet der Institutsleiter auch an einem auf die eigene Region zugeschnittenen Wetterprognose für das iPhone. Wann die Anwendung vorgestellt wird, steht noch nicht fest. (dpa, dapd)