Das Abendblatt startet mit einer Garten-Serie ins Frühjahr: an jedem Sonnabend Geschichten, Erklärungen und praktische Tipps.
Hamburg. Grau raus - Farben rein: Im März bricht sich nicht nur der Drang zur Primel Bahn - laut Gartenfachhandel unangefochten die beliebteste Frühlingsblume -, sondern auch der Drang zur Aktivität. Gartenfans haben offenbar ein Buddel-Gen, das im März wieder angeschaltet wird. Das Abendblatt ist dabei: In einer fünfteiligen Serie begleiten wir Gartenfreunde in den Frühling. Denn Stadtmenschen brauchen Gärten mehr als andere - auf dem Land sprießt das Grün ja von allein.
Dass die Hamburger schon immer Gärten liebten, ist auch nicht einfach so lokalpatriotisch dahingesagt. Die Stadt hat eine mehr als 400-jährige Gartentradition. "Hast du Lust Fürstliche Gährten zu sehen / so komm nur nach Hamburg", schrieb der Pastor, Dichter und Gartenliebhaber Johann Rist 1663. Er lobte, dass an die 50 gepflegte Barockgärten der Stadt es durchaus mit denen des Adels aufnehmen könnten. Denn die Hamburger Kaufleute hatten Geld. Sie konnten es sich leisten, die damals noch als exotisch geltenden Blumen zu kaufen, die durch die Handelskompanien aus Südamerika und Südasien nach Europa kamen. Im 17. Jahrhundert waren Gartenblumen ein luxuriöses Hobby: Man besuchte sich gegenseitig, nur um eine Kaiserkrone, eine Ranunkel oder eine besonders seltene Tulpe zu bewundern.
Schon damals zog es im Frühling alle Hamburger ins Grüne, die vor den Stadttoren in St. Georg, Eimsbüttel, Eppendorf oder auf der Uhlenhorst einen Garten hatten. Wer etwas auf sich hielt, baute sich dort auch ein "Lusthaus" umgeben von geometrisch gestalteten Blumen- und Gemüsebeeten, sogenannten "Parterres". Nur wenige genossen den Luxus eines innerstädtischen Gartens wie etwa der Bürgermeister Barthold Moller (Amtszeit 1643-1667), dessen Parterres in Nähe der Alster lagen, da, wo heute die Europa-Passage steht. Moller hatte natürlich einen Gärtner.
Aber eins war damals schon so entscheidend wie heute: Wer Pflanzen und Sträucher zum Gedeihen bringen will, muss sich zunächst mal mit dem Boden befassen. Hamburgs Wohnbebauung hat sich seit damals so extrem verdichtet, dass Gärten nur noch einen Bruchteil ihres früheren Raums einnehmen. Und: Das Erdreich hat in Jahrhunderten gelitten.
Wo Gärten nur noch schmale Schläuche zwischen hohen Mietshäusern sind, herrscht mehr Schatten. Und wer in seinem citynahen Hinterhofgarten gräbt, stößt auf Scherben, Brillen, Bauschutt, verrostete Rohre, sogar alte Öfen, die von früheren Mietergenerationen hier entsorgt oder in Bombennächten verschüttet wurden. Das Erdreich ist weitgehend steril, es enthält kaum Nährstoffe. Starten wir also mit dem Boden.
Gute Gartenerde hat Bewohner. Regenwürmer und andere Bodenlebewesen sind ständig damit beschäftigt, die Erde zu durchgraben und Pflanzen- und Tierreste in tiefere Schichten zu ziehen, um sie zu fressen. Ihre Ausscheidungen werden dann von Pilzen und Bakterien aufgenommen und in Kohlendioxid, Wasser und wasserlösliche Mineralsalze abgebaut. Auf diese Weise werden laufend genügend Nährstoffe gebildet, die Regenwürmer vertikal im Boden verteilen, sodass Pflanzen sie durch die Wurzeln aufnehmen können. Durch den Abbau organischer Substanzen entstehen Huminstoffe, die den Boden dunkel färben. Die Farbe Ihrer Gartenerde zeigt Ihnen also den Humusgehalt an: Ist sie hell- oder mittelgrau, enthält sie wenig Humus und wahrscheinlich zu viel zermahlenen Schutt.
Auch der pH-Wert des Bodens ist wichtig. Werte unter pH 5,5 zeigen, dass der Boden zu sauer ist und Kalk braucht. Ein gutes Pflanzenwachstum ist bei pH-Werten zwischen 6,5 und 8,0 möglich. Mit Test-Sets aus dem Gartenfachhandel können Sie den pH-Status Ihres Gartenbodens selbst herausbekommen.
Als Garten-Fan ist es Ihre Aufgabe, Ihre unterirdischen Mitarbeiter zu unterstützen. Das tun Sie zuerst mechanisch: durch Umgraben, entweder im Herbst (bevor Sie zum Beispiel die Zwiebeln von Frühblühern pflanzen) oder nach der Frostperiode - also jetzt. Mit dem Spaten müssen Sie dabei schon 15 bis 20 Zentimeter tief stoßen und das Erdreich umheben. Dann zerkleinern Sie die Erdschollen mit dem Grubber, einer Art großer, dreizinkiger Klaue, die den Boden wunderbar lockert.
Jetzt brauchen Ihre Bodenlebewesen noch organisches Material, das sie zersetzen können, also Stroh, Holzspäne, Blätter, Rasenschnitt und/oder Kompost. Dafür bereiten Sie eine Art Kompost-Produktionsfläche vor: Sie schaufeln die oberste gelockerte Erdschicht beiseite und legen etwa 15 Zentimeter tief flächig Stroh und Späne aus, darüber Blätter, Pflanzenreste, Rasenschnitt und Kompost, wenn Sie schon welchen haben.
Würden Sie auf einem Bauernhof leben, könnten Sie noch eine Karre Mist darauf verteilen. Den hat der Stadtmensch in der Regel nicht und braucht ihn auch nicht, meint Angela Jahns von der Pflanzenberatung des Biozentrums Klein Flottbek. Jetzt bedecken Sie Stroh/Späne/Grünzeug wieder mit der Erde. In der können Sie jetzt Blumenzwiebeln setzen. Den Rest besorgen Ihre unterirdischen Helfer. Wenn der Boden schön krümelig ist, kann er Nährstoffe, Wasser und Luft speichern wie ein Schwamm. Das Schlimmste, was Sie den Bodenlebewesen antun können, ist das Draufschütten von Kunstdünger. Denn: "Nähr nicht die Pflanzen, nähr den Boden."
Das beherzigte man schon im Barock. Der Hamburger Gelehrte und Botanikexperte Joachim Jungius, der 1628 Rektor der Gelehrtenschule des Johanneums wurde, hatte sogar drei Gärten: einen Zierblumen-, einen Nutz- und einen "Kuchengarten", der ihm offenbar besonders am Herzen lag. In Jungius' Nachlass fanden sich unzählige kleine Zettel, auf denen er seinem Gärtner Anweisungen aufgeschrieben hatte: wo gesät, gepflanzt, Mist gefahren, Wein gesetzt und Buchsbaum beschnitten werden sollte. Und immer wieder erinnert er daran, "Mist, loh, erd" zu vermischen und in den Boden einzuarbeiten. Loh sind Gerbereiabfälle, also Reste von Tierhäuten.
Jungius wusste damals noch nichts von Mikroorganismen. Aber er hatte Erfahrungswissen: Wo regelmäßig organisch gedüngt wird, gibt es viele Regenwürmer. Und wo viele Regenwürmer sind, gedeihen Pflanzen gut.