Während die Bundeswehr sparen muss, versuchen deutsche Ex-Soldaten ins umstrittene Milliardengeschäft der Privatarmeen einzusteigen.
Der ausgemachte Treffpunkt mit dem deutschen Söldner, der am liebsten schon morgen nach Mogadischu fliegen würde, ist Wernings Weinstube am Alten Markt in Bielefeld. "Das wird hart und fordernd da unten in Somalia", sagt er. "Da wird scharf geschossen. Aber ich bin bereit für diese Herausforderung." Der 38-Jährige, drahtig, braun gebrannt, jungenhaftes Gesicht, wohnt ganz in der Nähe, ist verheiratet und hat eine Tochter. Von 1992 bis 1996 diente er in einem Sicherungszug der Bundeswehr, war in Minden und Höxter stationiert. Er war im ersten Ifor-Einsatzkontingent auf dem Balkan, in Srebrenica, Sarajevo und Mostar.
Nach der aktiven Dienstzeit wollte er Agent beim Militärischen Abschirmdienst werden. Doch das klappte nicht. Falko Förster* wechselte ins Sicherheitsgewerbe, machte Personen- und Wachschutz und half seinem Schwiegervater in dessen Baubetrieb. Er fühlte sich jedoch "an der falschen Front und unterfordert". Vor knapp drei Jahren stieß er auf die Stellenausschreibung der Asgaard Security Group: "Dienstwagenfahrer, Personenschutz im Ausland". "Das ist es", dachte er.
Zum EAV (Eignungs-Auswahl-Verfahren) kamen 80 Bewerber mit militärischem Hintergrund, erzählt Förster bei Schinkenbrot und Cola. Nur zehn überstanden den über 48 Stunden gehenden Einstellungstest, mit Marsch, Gesetzes- und Fremdsprachenkunde, Hindernisparcours und Häuserkampf. Es gab weder Schlaf noch Verpflegung. Förster hat den Test bestanden. Seitdem steht er im Dienst der Asgaard-Sicherheits-Gruppe, Deutschlands erster Privatarmee, von der bis vor Kurzem kaum jemand etwas wusste. Der Begriff Asgaard entstammt der nordischen Mythologie, im Firmenlogo ist ein Wikingerschiff abgebildet, weil - so glauben die Asgaard-Chefs - die rauen Seefahrer eine der ersten Leibgarden stellten. Und als Leibgarde sehen sie sich auch.
Blackwater madein Münsterland
Ende Mai lief die Nachricht in der "Tagesschau": Deutsche Söldner, rekrutiert von der Sicherheitsfirma Asgaard mit Sitz in Telgte bei Münster sollen sich auf den Weg nach Somalia machen, um in den seit 1991 tobenden Bürgerkrieg einzugreifen. Die aus Ex-Bundeswehrsoldaten bestehende Truppe soll dort dem selbst ernannten, jedoch international bislang nicht anerkannten Präsidenten Galadid Abdinur Ahmad Darman in Mogadischu an die Macht verhelfen, für den Schutz des 57-Jährigen und seines Clans sorgen, Militär und Polizei ausbilden und gegen Milizen und Piraterie kämpfen.
Wie bitte, in der nordrhein-westfälischen Provinz formiert sich eine Privatarmee? Blackwater made in Münsterland? Eine Art deutsche Fremdenlegion wartet auf den Marschbefehl für den Feldzug nach Afrika?
Die Staatsanwaltschaft Münster leitete Ermittlungen ein. Ehemalige Soldaten dürfen zwar für private Sicherheitsdienste im In- und Ausland arbeiten. Strafbar macht sich aber, "wer zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt" (Strafgesetzbuch, Paragraf 109h). "Ich werbe keine deutschen Soldaten für einen fremden Wehrdienst an", sagt dazu Thomas Kaltegärtner, Geschäftsführer von Asgaard.
Das Auswärtige Amt will von dem Fünf-Jahres-Vertrag, den die Deutschen mit dem im Exil lebenden Darman geschlossen und auch auf ihrer Homepage veröffentlicht haben, nichts gewusst haben. Und auch das Verteidigungsministerium teilte mit, dass es keine vertraglichen Beziehungen zu Asgaard unterhalte. "Im vergangenen Jahr wurden uns von dieser Firma Dienste im Sicherheitsbereich, zum Beispiel bei der Bewachung von Kasernen, angeboten. Dieses Angebot wurde schriftlich von uns abgelehnt", sagt ein Sprecher des Ministeriums. "Eine allgemeine Zuständigkeit der Bundeswehr zur Bewertung der Tätigkeit dieser Firmengruppe besteht jedoch nicht."
Privatarmeen machen 250 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr
Schon lange geht mit der weltweiten Zunahme bewaffneter Konflikte die Privatisierung des Krieges einher. In Krisen- und Unruhegebieten operierende Armeen und Unternehmen, aber auch Mafiosi, Warlords und Clanführer nutzen zunehmend Söldnerfirmen, um sich vor Attentätern, Konkurrenten und Entführern zu schützen. Um ihren Machtbereich zu erweitern und Rohstoffressourcen zu sichern.
Auf mehr als 250 Milliarden Euro schätzen Fachleute den Jahresumsatz solcher meist in den USA und England, aber auch in Frankreich, Israel oder Südafrika gegründeten Firmen, deren Vorbild lange die amerikanische Blackwater - heute Xe-Services - war. Blackwater übernahm vor allem im Irak für das US-Militär heikle Aufträge und kam in Verruf, weil seine Söldner zu sehr Rambo spielten. Welche Rolle spielt die deutsche Sicherheitsfirma Asgaard in dieser umstrittenen Liga der Söldnerfirmen, welche Ziele verfolgt die Privatarmee aus der Münsterländer Provinz?
"Teamgeist und Corpsgedanke sind uns wichtig", erklärt Falko Förster und nippt in Wernings Weinstube an der Cola. "Wir gehen nicht nach Somalia, um Leute zu erschießen. Wir sorgen für Ruhe und Ordnung. Die Übergangsregierung dort kriegt das ja nicht geregelt. Und wenn der Darman das Ruder jetzt tatsächlich rumreißen will, kann man ihm doch mit deutschem militärischen Know-how helfen. Ich halte das für eine gute und gerechte Sache."
Für einen undurchsichtigen islamischen Clanführer will er in einem Land, in dem Raketenbeschuss, Sprengstoffanschläge und Feuergefechte seit zwei Jahrzehnten zum Alltag gehören, sein Leben riskieren? "Warum denn nicht? Die Kameraden in Afghanistan tun doch nichts anderes. Ich war und bin Soldat. Mit Leib und Seele."
Gelassenheit trotz mehrererMorddrohungen
Asgaard-Geschäftsführer Thomas Kaltegärtner, 41, kurz geschnittenes Haar, dunkler Anzug, lächelt. Obwohl er in den letzten Tagen, wie er sagt, "Morddrohungen von linken Gruppierungen und islamistischen Vereinigungen" erhalten habe und aus dem Reservistenverband der Bundeswehr austreten soll. Der Vorsitzende Gerd Höfer forderte Kaltegärtner dazu per Brief auf. Er sei durch die Somalia-Sache nun nicht mehr tragbar. Doch Kaltegärtner lächelt das weg. Der ehemalige Stabsunteroffizier zweier in Ahlen und in Düren stationierter Jägerbataillone und Hauptfeldwebel der Reserve ist trotz aller Aufregung um seine Firma und seine Person "total tiefenentspannt", sagt er, während er in einem Restaurant unweit der Wallfahrtskirche in Telgte einen Milchkaffee bestellt: "Ich werde dem Leben und dem Reservistenverband erhalten bleiben. Und wegen der staatsanwaltlichen Ermittlungen ist mir nicht bange. Asgaard ist ein militärischer Dienstleister, wie es ihn in vielen Ländern gibt. Wir bewegen uns im Rahmen der Gesetze. Wir haben die zuständigen Stellen über unsere Aktivitäten in Afrika unterrichtet, deutschen Botschaften und Unternehmen in Unruheländern unsere Unterstützung angeboten."
Eine Nachfrage beim Amtsgericht Münster hat ergeben: Die Asgaard Security Group ist nicht im Handelsregister eingetragen. Warum nicht? "Die Asgaard Security Group ist zwar längst notariell beurkundet, jedoch bislang noch nicht ins Handelsregister eingetragen, weil es Differenzen mit der Industrie- und Handelskammer gibt. Die IHK hat Probleme mit dem Namenszusatz Group. Weil sie uns keine Freigabe gibt, konnten wir uns bislang nicht eintragen lassen", sagt Kaltegärtner. "In Kürze soll dies aber geschehen." Kaltegärtner wohnt in Telgte zusammen mit Ehefrau und der 18 Jahre alten Tochter in einem Reihenhaus mit gepflegtem Garten. Hier ist sein Büro, von dem aus er per Laptop und Handy die Aktivitäten von Asgaard steuert.
"Allein in der Woche nach dem ,Tagesschau'-Bericht hatten wir eine Million Zugriffe auf unsere Website", erklärt der Ex-Zeitsoldat. "Und Bewerbungen von ehemaligen und noch aktiven Soldaten, sogar welche aus den USA und Nato-Ländern. Wir hatten 800 Anfragen. Normal sind 30 bis 40 in diesem Zeitraum. Aber normal ist vorbei."
Der nächste Morgen. Die grauen Wolken haben sich verzogen. "Gutes Zeichen", kommentiert Kaltegärtner, als er den grauen Audi startet. Es ist ein wichtiger Tag für sein Unternehmen. Zwei Gespräche mit möglichen Investoren aus London und Köln, die in Asgaard ein zukunftsträchtiges Unternehmen sehen, stehen an. Treffpunkt ist die Raststelle Ohligser Heide an der A 3.
Kaltegärtner nimmt "Verstärkung" mit: Torsten Tewes*. Der 40-jährige ehemalige Elitesoldat ("Ich war bis 1998 Fallschirmjäger bei der Kommandokompanie Spezielle Verwendung, den Vorgängern des heutigen Kommandos Spezialkräfte, KSK") ist Gründer von Asgaard. Eigentlich wollte er nach der Bundeswehr zum Verfassungsschutz wechseln, erklärt er: "Ich sollte in die linke Szene einsickern." Aus seiner Geheimdienstkarriere sei jedoch nichts geworden, weil er nicht wie gefordert für fünf Jahre den Kontakt zu seiner Familie abbrechen wollte.
"Taktische Einsatzleitung", so beschreibt Tewes seinen Job bei Asgaard. Doch in Wirklichkeit ist der Privatsoldat mit der spitzen Nase, breiten Schultern, kantigem Gesicht, schwarzem Anzug Macher und Befehlshaber in Personalunion. Thomas Kaltegärtner ist nur der Chef auf dem Papier. "Schutzschild und Kugelfang", sagt Tewes lachend.
Zu seinen Kunden zählen neben Darman bereits ein König aus Ghana, Wirtschafts-, Finanz- und Politgrößen. Er hat für eine deutsche Airline und das Ritz Carlton in Wolfsburg das Sicherheitskonzept erstellt, arbeitete mit seinem Security-Team bei den Olympischen Spielen in Athen, bei der Tour de France, lieferte gepanzerte Fahrzeuge an staatliche und nicht staatliche Organisationen in den Irak, zählt Tewes auf.
Noch sei seine Truppe "klein und elitär". Man trainiere in abgelegenen Waldstücken und in verlassenen Kasernen. Man hoffe auf den baldigen Startschuss für Somalia. Das Konzept für die Verlegung größerer Kontingente stehe schon lange. Logistik, Verpflegung, medizinische Versorgung, an alles sei gedacht. Der Kostenplan gehe weit in den zweistelligen Millionenbereich. Tewes glaubt: "Wenn wir Deutschen in Somalia Erfolg haben, wird unsere Industrie dort auch schneller zum Zug kommen."
Gut 60 Söldner könne er sofort losschicken. Für die Ausrüstung - von Kampfstiefeln über Schutzweste bis zum Scharfschützengewehr - kalkuliere er 25 000 Euro pro Mann.
8000 Euro Nettoverdienst im Monat, für Spezialoperationen gibt es mehr
Seine Soldaten sollen besser verdienen und ausgerüstet sein als die der Bundeswehr in Afghanistan. 8000 Euro netto pro Monat bekämen die Asgaard-Armisten. 60 Tage arbeiten, 60 Tage frei: "Spezialoperationen werden höher besoldet." Neben den 60 Stand-by-Söldnern könne er 120 weitere in wenigen Wochen aktivieren. Ein paar Hundert innerhalb von zwei Monaten. "Klappt der Auftrag, wie Darman, seine Berater und ich es mir vorstellen, unterstützen die USA, die Vereinten Nationen, die Afrikanische Liga und die Weltbank unseren Vertragspartner und nicht den im Januar 2009 inthronisierten Chef der Übergangsregierung, Sharif Sheikh Ahmed. Wir werden vier- bis fünftausend Mann für den Somalia-Auftrag brauchen", erklärt Tewes.
Im rohstoffreichen Afrika sehen die Asgaard-Geschäftsführer den Markt der Zukunft. Die in Anzug gewandeten Investoren hören das mit Interesse. Er selbst, sagt Tewes, war bislang "ein Dutzend Mal" auf dem Schwarzen Kontinent. Auch in Nigeria, Namibia und Guinea-Bissau. "Doch die Somalia-Mission hat oberste Priorität", doziert der Ex-Elitesoldat. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Nun müssen die Politiker ihre Arbeit erledigen. Und in wenigen Wochen oder Monaten wird sich hoffentlich entscheiden, ob wir am Horn von Afrika zeigen dürfen, was wir in Sachen Personen,- Objekt- und Konvoischutz unter Vollbewaffnung so alles draufhaben."
Wenn der Marschbefehl nach Mogadischu kommt, möchte der Bielefelder Falko Förster zum Vorauskommando, das die Lage vor Ort sondiert, gehören. "Abmarschbereit bin ich in zwölf Stunden. Mein Testament habe ich gemacht, der Impfstatus steht, Pass ist gültig, meine Frau weiß ich hinter mir."
* Namen geändert