Diplom-Ingenieur Ben Krischausky, 57, arbeitet auch als Führungskräftecoach.
Hamburger Abendblatt:
1. Sind Unternehmen in Deutschland kinderfeindlich?
Ben Krischausky:
Kinderfeindlich sicher nicht, aber es gibt erhebliche Unterschiede im Umgang mit dem Thema. In manchen Unternehmen gilt der Wunsch von Eltern nach Teilzeit schon fast als Kündigungsgrund. Andere gehen aber auch auf ihre Mitarbeiter ein, um Know-how im Betrieb zu halten.
2. Warum tun sich Firmen so schwer damit, auf die Bedürfnisse und Wünsche von Mitarbeitern einzugehen, die sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern?
Veränderungen sind ungeliebt. Familienzeiten können ungeahnte Dynamiken entwickeln, stellen Kollegen und Führungskräfte vor neue Aufgaben. Und manche kommen damit nicht so gut klar. Hier ist wirklich kluge Personalführung gefragt.
3. Ist Familienfreundlichkeit nur ein Kostenfaktor oder nützt es den Arbeitgebern?
Eine aktuelle Studie der Uni Münster und der Steinbeis-Hochschule in Berlin weist bei familienfreundlichen Unternehmen gestiegene Produktivität und höhere Mitarbeiterbindung nach, sogar weniger Fehlzeiten. Besonders deutlich ist der Image-Gewinn bei der Suche nach neuen Mitarbeitern: mehr Bewerbungen pro ausgeschriebener Position (+31 Prozent) und deutlich mehr Initiativbewerbungen. Vor allem kleine und mittlere Betriebe profitieren.
4. Was müssen Unternehmen wirklich tun, um in der Praxis familienfreundlich zu sein?
Mit den Beschäftigten reden und die Wünsche der Mitarbeiter erfragen. Nur so kann ermittelt werden, ob etwa die Einrichtung eines Betriebskindergartens sinnvoll ist. Denn viele Eltern finden es "familienfreundlicher", wenn ihre Kinder wohnortnah untergebracht sind. Andere Unternehmen haben tolle Erfahrungen mit Betriebskindergärten gemacht.
5. Was muss sich ändern, damit Familienfreundlichkeit selbstverständlich wird?
Die Führungskräfte aller Ebenen müssen die Kultur des Unternehmens vorleben. Dazu gehört nicht nur, wichtige Termine der Familie ernst zu nehmen. Auch der Umgang mit Themen wie Heimarbeit und flexible Arbeitszeiten muss sich ändern. Viele Eltern arbeiten zu Hause sogar mehr - aber Chefs tun sich oft schwer, die Arbeitsleistung richtig einzuschätzen, wenn sie die Kollegen nicht ständig im Zugriff haben.