Hamburgs Schulsenatorin Christa Goetsch ist nicht zu beneiden. Der renommierte Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Prof. Jürgen Baumert, hat jetzt die Debatte über die Primarschulreform als "völlig unnötigen bildungspolitischen Streit" bezeichnet. Es gebe auch in Hamburg Wichtigeres zu tun, um die Unterrichtsqualität zu verbessern, als die Grundschulzeit zu verlängern, meint er.
Das ist eine Ohrfeige des "PISA-Papstes" für alle Primarschul-Befürworter. Die wiegt umso schwerer, als Baumert bislang gern als "Kronzeuge" für das längere gemeinsame Lernen zitiert wurde.
In Wahrheit hat der Bildungsforscher nur das zentrale Argument wiedergegeben, das von Beginn an gegen die Primarschule spricht (es gibt auch Gründe dafür). Die Forschung hat keinen wissenschaftlichen Beleg für die Überlegenheit des sechsjährigen gemeinsamen Lernens. Fairerweise muss hinzugefügt werden: Es kann diesen Beweis auch nicht geben, weil die beiden Systeme (vier Jahre Grundschule und sechs Jahre Primarschule) bisher nirgends parallel gelaufen sind. Streng genommen liefert die Wissenschaft also keinen Beleg gegen die Primarschule, sie hat nur keinen Beleg für die Primarschule parat.
Die Reform ist ein politisches Projekt ohne exakte wissenschaftliche Absicherung. Und weil die Meinungen darüber auseinandergehen, ist es richtig, dass über die Primarschule vom Volk direkt entschieden wird.