Der Moderator wechselt zur ARD und löst Anne Will am Sonntagabend ab. Für das Erste ist Jauchs Verpflichtung ein weiterer Coup.
Hamburg. Fürchtet der beliebteste deutsche Moderator etwa, es könne noch was dazwischenkommen? Jedenfalls mag er sich zu einem Engagement im Ersten, für das er ab Herbst 2011 auf dem Sendeplatz von Anne Will eine politische Talkshow moderieren wird, partout nicht äußern. Und warum nicht? Weil "die Vereinbarung mit der ARD noch der Zustimmung der zuständigen Gremien bedarf", wie es in einer Mail seines Büros heißt.
Können die grauen Damen und Herren aus Rundfunk- und Verwaltungsräten der Sender, die Jauch vor dreieinhalb Jahren, als er schon einmal ins Erste kommen sollte, als "Gremlins" verspottete, sein Comeback in der ARD wirklich noch verhindern? Sie können es nicht. Und die wenigsten wollen es.
Denn die Rückkehr des Günther Jauch, der Ende der 1970er-Jahre seine Karriere als Radiomoderator des Bayerischen Rundfunks begann, ist ein zu wichtiges Projekt, das unter keinen Umständen scheitern darf. Das weiß jeder in der ARD. Deshalb haben sich diesmal ja auch alle zurückgehalten. Von den Gesprächen zwischen Jauch und der ARD, für die NDR-Intendant Lutz Marmor, WDR-Intendantin Monika Piel und ARD-Programmdirektor Volker Herres verhandelten, drang - anders als vor dreieinhalb Jahren - so gut wie nichts nach außen.
Jauchs Rückkehr zur ARD ist deshalb für den Senderverbund so wichtig, weil ihm zuletzt wenig gelang: Das Vorabendprogramm, wo nacheinander Formate wie "Bruce" und "Eine für alle" floppten, ist eine Dauerbaustelle. Ein zweitklassiger Moderator wie Oliver Pocher zog ein Engagement bei Sat.1 einem neuen Vertrag im Ersten vor. Und dann entfleuchte auch noch Jörg Pilawa, das Gesicht der ARD, zum ZDF.
Der Erfolg, den der Sieg von Lena Meyer-Landrut beim Eurovision Song Contest dem Ersten bescherte, darf nicht überbewertet werden. Die ARD hat sich komplett in die Abhängigkeit vom Ziehvater der Sängerin Stefan Raab begeben. Durch dessen unabgestimmte Ankündigung, Lena auch 2011 zum Wettstreit zu schicken, muss das Erste auf attraktive Castingshows verzichten.
Da hat die Rückkehr des Günther Jauch doch eine ganz andere Qualität. Er ist der Liebling der Massen, ein Mann für Millionen. Wenn sie könnten, so eine Umfrage, würden die Deutschen ihn zum Bundespräsidenten wählen. Jauch ist spontan, witzig und seriös. Sein Wechsel ist für das Erste weitaus bedeutsamer als der von Reinhold Beckmann und Harald Schmidt. Er könnte für die ARD noch wichtiger werden, als Thomas Gottschalk es für das ZDF ist. Das neue Gesicht des Ersten dürfte über kurz oder lang Günther Jauch heißen.
Noch ist das freilich Zukunftsmusik: Der Drei-Jahres-Vertrag, den er mit der ARD geschlossen hat, verpflichtet Jauch nur zum Polittalk am Sonntagabend. Er wird auch weiterhin bei RTL "Wer wird Millionär?" moderieren. Mit dem Trainer von Borussia Dortmund, Jürgen Klopp, führt er von heute an durch die Spiele der WM, die sich RTL sichern konnte. Und auf der Programmkonferenz des Senders soll ein - allerdings einmaliges - TV-Event mit Jauch vorgestellt werden.
Es hilft aber alles nichts: Früher oder später dürfte der 53-Jährige ganz zur ARD wechseln. Das glauben zumindest die, die ihn gut kennen. "Er versteht sich vor allem als politischer Journalist, nicht als Unterhaltungsmoderator", sagt einer. Ein anderer will wissen, dass Jauch vor Jahren RTL vergeblich politische Formate angeboten hat.
Und der Satz, mit dem RTL seinen Moderator in einer Presseerklärung zitiert, gibt den Verantwortlichen des Senders nicht gerade Anlass zu übertrieben großen Hoffnungen. ",Wer wird Millionär?' geht weiter, solange der Sender und ich Freude daran haben", heißt es da. Wie lange aber wird das noch sein? Der politisch interessierte Jauch ist ein Wertkonservativer, der im gediegenen Potsdam wohnt, wo er soziale Projekte unterstützt. In Berlin machte er sich für die Initiative Pro Reli stark, die für Religionsunterricht an Hauptstadtschulen kämpfte. Bei RTL mit seinem Star Dieter Bohlen, den Gerichts- und Dschungelshows wirkt der Moderator mitunter etwas deplatziert. An manchen Tagen passt er so gut zum Programm wie der Starpianist Lang Lang zu einer Heavy Metal Band.
Da kann das Erste ihm schon ein ganz anderes Programmumfeld bieten: Schon kursieren Spekulationen, Jauch werde für die ARD auch Galas und Jahresrückblickshows moderieren sowie bei Wahlsendungen auftreten. Einer, der ihn gut kennt, sagt, gerne würde Jauch durch die "Tagesthemen" führen. "Ich bin mir sicher, das wird er eines Tages auch tun", fügt er hinzu.
Wie sehr auch Jauch daran gelegen war, mit der ARD zusammenzukommen, lässt sich an den Bedingungen ablesen, die er akzeptiert hat: Er verzichtet künftig darauf, Werbung zu machen. Und er akzeptiert, dass der Sendeplatz von Anne Will, der künftig seiner sein wird, im Ersten in den Verantwortungsbereich der Politik fällt. Das wollte Jauch vor dreieinhalb Jahren, als er Nachfolger von Sabine Christiansen werden sollte, noch nicht hinnehmen: "Damit wäre nach meiner Auffassung die Sendung dem ständigen Risiko ausgesetzt, zum Spielball der politischen Farbenlehre innerhalb der ARD zu werden", sagte er damals.
Jauchs größtes Zugeständnis ist aber wohl die Aufgabe von "Stern TV". Die Sendung ist sein Baby. Er moderiert sie seit 20 Jahren. Immerhin wird seine Produktionsgesellschaft Information & Unterhaltung (I&U) auch künftig für sie verantwortlich zeichnen.
Auch die ARD, namentlich WDR-Intendantin Piel, musste Maximalforderungen fallen lassen. Vor dreieinhalb Jahren wollte sie Jauch verbieten, parallel zu einem Engagement im Ersten auch noch für RTL zu moderieren: "Entweder ist einer bei uns oder bei den Kommerziellen", sagte sie damals. Sie war nicht die Einzige, die markige Sprüche klopfte. "Ohne Jauch geht die ARD-Welt nicht unter", verkündete der damalige ARD-Vorsitzende Fritz Raff noch vor dem Scheitern der Gespräche in einem Interview.
Diesmal gingen die ARD-Granden weitaus feinfühliger zur Sache. Sie umschmeichelten den Moderator geradezu. Als Einfallstor diente Jauchs Produktionsfirma I&U, die sich über attraktive Aufträge freuen durfte. Bei ihr gaben sie "Das unglaubliche Quiz der Tiere" ebenso in Auftrag wie die Jahresrückblickshows "2008 - Das Quiz" und "2009 - das Quiz". Der reizvollste Auftrag dürfte für Jauch aber zweifellos die Produktion der zweiteiligen Show zum 60. Jubiläum der ARD im April dieses Jahres gewesen sein.
So kam zusammen, was nach Ansicht der ARD zusammengehört. Die Mission Jauch wird aber erst dann vollständig beendet sein, wenn der Moderator komplett zum Ersten wechselt. Dies wäre gleichbedeutend mit der Vollendung eines noch viel größeren Projekts, das die ehemaligen Intendanten Jobst Plog (NDR) und Fritz Pleitgen (WDR) sowie der frühere ARD-Programmdirektor Günter Struve einst begannen. Das Trio hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Stars und interessante Fernsehrechte, die es in den 1990er-Jahren an die private Konkurrenz verloren hatten, wieder zurückzuholen.
Dies ist ihnen weitgehend gelungen. Kaum ein namhafter Fernsehschaffender, der früher in Diensten von ARD und ZDF stand, ist heute noch im Privat-TV zu sehen. Und auch die Fußball-Bundesliga läuft längst wieder im Ersten. Nur die Gespräche mit Günther Jauch, dem vielleicht größten aller TV-Stars, scheiterten 2007.
An der Strategie von Struve, Plog und Pleitgen entzündete sich auch Kritik. Durch das Schielen auf Quotenerfolge gerieten Kultur-, Bildungs- und Informationsprogramme ins Hintertreffen, hieß es. Zudem wurden die hohen Kosten der Aktion moniert. Stars und Fußballrechte sind nicht billig.
Die Verpflichtung Jauchs dürfte sich die ARD ebenfalls einiges kosten lassen. Ist er auch in dieser Hinsicht ein Mann für Millionen? Jedenfalls sind mit dem NDR und dem WDR zwei der potentesten ARD-Sender Vertragspartner des Moderators. Trotz Gebührenausfällen, die durch die demografische Entwicklung und immer mehr Beitragsbefreiungen bedingt sind, stehen die Öffentlich-Rechtlichen finanziell besser da als die private Konkurrenz, die zuletzt unter massiven Werbeeinbrüchen litt. So werden ARD und ZDF auch künftig die ersten Ansprechpartner für die großen Stars der Branche sein.
Dass die ARD dennoch mitunter Schwierigkeiten hat, ein vernünftiges Programm auf die Beine zu stellen, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin ist es dem Ersten nun gelungen, eine der größten Baustellen im Abendprogramm zu schließen. Seit Jahren schon versuchen die Sender der ARD, sich auf einen einheitlichen Beginn der "Tagesthemen" zu einigen. Das ist nun endlich gelungen: Die Nachrichtensendung wird nun montags bis donnerstags immer um 22.15 Uhr beginnen.
Unmittelbar nach den "Tagesthemen" werden künftig Talksendungen laufen. Montags und dienstags ist das schon heute so. Im Ersten sind dann um 22.45 Uhr "Beckmann" und "Menschen bei Maischberger" zu sehen. "Hart aber fair" mit Frank Plasberg, das bisher mittwochs um 21 Uhr läuft, wird künftig ebenfalls um 22.45 Uhr zu sehen sein.
Schließlich braucht auch Anne Will einen neuen Sendeplatz, die ihren alten am Sonntag ja an Jauch abtreten muss. Theoretisch könnte sie künftig am Donnerstag um 22.45 Uhr auf Sendung gehen. Sie würde dann aber zeitgleich mit dem ähnlich gestrickten ZDF-Polittalk "Maybrit Illner" laufen. Das will man im Ersten verhindern. Folglich gilt es als wahrscheinlich, dass Anne Will auf den Montag oder Dienstag geht und "Beckmann" oder "Menschen bei Maischberger" den Donnerstag als neuen Sendeplatz zugewiesen bekommen.
Für die schwerfällige ARD ist diese kleine, durch die Jauch-Verpflichtung verursachte Programmreform schon eine gewaltige Leistung. Und so kann man den Satz von NDR-Intendant Lutz Marmor natürlich auch verstehen: "Günther Jauch wird dem Ersten neue Impulse geben."