Nach dem Skandal um den gestoppten Transport des schrottreifen Atom-Containers will die CDU die Praxis bei gefährlichen Transporten prüfen.
Hamburg. Der verrostete Container mit radioaktivem Uranhexaflourid aus dem Hamburger Hafen beschäftigt nicht mehr nur Atomkraftgegner. Nach den Abendblatt-Berichten über den erst bei Bremen von der Polizei gestoppten Transport fordert nun auch die CDU strengere Kontrollen von strahlender und giftiger Fracht. „Es ist mir unbegreiflich, wie dieser schrottreife Container auf die Straße gelangt ist. Sollte sich herausstellen, dass dies kein Einzelfall war, müssen wir die gesamte Praxis bei Gefahrentransporten überarbeiten“, sagte Heiko Hecht, CDU-Umweltexperte, dem Abendblatt. „In diesem Bereich dürfen wir uns keine Fehler erlauben.“ Auch der Vorsitzende des Innenausschusses, Karl-Heinz Warnholz (CDU), sagte: „Ich erwarte von allen bei den Transporten beteiligten Unternehmen, von Deutscher Bahn bis Verlade- und Speditionsbetrieben, die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Ist das nicht der Fall, müssen wir uns damit beschäftigen.“
Beinahe täglich rollen atomare Transporte durch die Hansestadt, wie Anfragen der Linksfraktion ergaben. Bei einem Großteil der Lieferungen aus aller Welt handelt es sich um Uranhexaflourid, einem Zwischenstoff für die Herstellung von Brennstäben, der mit Wasser und Luftfeuchtigkeit zu Flusssäure reagiert, die ätzender ist als Salzsäure. Während die Polizei Hamburg im Falle eines Unglücks von einer „Gefährdung nur unmittelbar an der Unfallstelle“ sprach, beurteilt die Feuerwehr im westfälischen Rheine dieses Szenario anders. Die Einsatzkräfte dort kennen sich aus, in der Nähe liegt die Urananreicherungs-Anlage Gronau, wohin häufig Transporte aus Hamburg fahren.
Als „Gasmäuse“ bezeichnete ein Feuerwehrsprecher jene Polizisten, die bei einem Uranhexeflourid-Unfall zuerst vor Ort wären. „Wenn die uns über Reizhusten und Halsschmerzen berichten, können wir davon ausgehen, dass bereits Stoffe freigesetzt wurden“, sagte der Sprecher dem WDR. Spezielle Einsatzkräfte der Feuerwehr würden eine solche Unfallstelle zunächst „mit dem Fernglas“ untersuchen, um den Einsatz zu planen. „Bei Uranhexaflourid können wir ein Leck im Container nicht ohne weiteres abdichten“, so der Sprecher weiter.
Die genauen Transportwege dieser Stoffe durch Hamburg sind geheim. Dass die Routen jedoch auch durch Wohngebiete führen, ist laut Umweltbehörde „nicht auszuschließen“. Ob sich der Senat bereits in seiner heutigen Sitzung mit dem Thema befasst, ist unklar. Wie berichtet, will die Linke die Landesregierung per Antrag dazu auffordern, Konsequenzen aus dem Vorfall zu ziehen: Anders als die GAL-Fraktion sieht die Linke Spielräume für den Senat, die vom Bund genehmigten Transporte einzudämmen.
Wie ernst die CDU-Fraktion das Thema Atomtransporte vor dem Unfall nahm, zeigte sich vor einigen Monaten in der Bürgerschaft: Damals lehnte Schwarz-Grün ab, die Anfrage im Innenausschuss zu beraten um „bestehende Sicherheitsvorkehrungen kritisch zu hinterfragen“, wie Innenexpertin Christiane Schneider (Linke) sagte. Zwar sei nachvollziehbar, dass sicherheitsrelevante Details nicht in öffentlichen Sitzungen besprochen werden könnten, sagte Schneider. Auf die Kontrollfunktion des Parlamentes zu verzichten sei jedoch eine „Selbstbeschneidung der Rechte der Legislative“, so Schneider weiter. CDU-Fraktionsvize Wolfgang Beuß konterte von der Abgeordnetenbank mit einem Zwischenruf: „Unter Selbstbeschneidung verstehe ich was anderes“.