Die Fotografin und Rathaus-Reporterin Erika Krauß sagt vor Gericht aus. Vor einem Jahr wurde die 92-Jährige Opfer eines Raubüberfalls.
Hamburg. Schritt für Schritt, untergehakt bei ihrem Anwalt, tippelt die alte Dame in den Gerichtssaal. Sie trägt einen schwarzen Hut und ein schwarzes Kostüm, seit Jahrzehnten ist dieses Outfit ihr Markenzeichen. Es gehört zu ihr wie die Kamera. Wie ihre eigene Legende. Erika Krauß, 92 Jahre alt, fotografiert seit mehr als 50 Jahren für die "Hamburger Morgenpost". Fast täglich ist sie in der Redaktion oder fotografiert im Rathaus. Am 27. März wurde sie Opfer eines Raubüberfalls.
Der gebrechliche Eindruck täuscht, Erika Krauß kann kräftig austeilen. Auf die Frage, was sie beruflich macht, antwortet die Seniorin patzig: "Fotografin, was sonst!" Es war nicht damit zu rechnen, dass sie den gestrigen Zeugentermin vor dem Amtsgericht St. Georg wahrnehmen würde. Schon die erste Ladung Mitte Februar hatte sie aus Angst vor Berichterstattung ignoriert. Sie werde nicht kommen, hatte sie dem Richter mitgeteilt, da könne er sich auf den Kopf stellen. "Ich hasse diesen Presse-Auflauf, diese Geilheit, ich lasse mich nicht vorführen!"
Kurioserweise erzählte sie am selben Tag der "Mopo" ihre Geschichte. Der Richter ist nicht amüsiert: Mit der Presse reden, aber das Gericht versetzen, das ginge nicht. "Man kann doch mal einen Fehler machen", sagt Erika Krauß, nun etwas kleinlaut.
Einige Meter entfernt sitzt Danny S. (24). Der Mann, der sie überfallen haben soll. Am ersten Prozesstag hatte der alkoholabhängige Angeklagte ausgesagt, er könne sich an nichts erinnern. Dass Erika Krauß den Täter nicht identifizieren kann und ihre Erinnerung deutlich verblasst ist, macht für das Gericht die Urteilsfindung nicht einfacher. An der U-Bahn-Station Lohmühlenstraße sei sie ausgestiegen, ein Mann mit einer großen Narbe im Gesicht habe in einer dunklen Ecke gelauert. Mitten auf der Rolltreppe habe der Räuber ihre Hand umklammert, sie wäre fast gestürzt. "Wollte er Ihre Handtasche?", fragt der Richter. "Habe ich sein Gehirn?", keilt die Fotografin zurück. Als sie laut um Hilfe schrie, habe der Täter sie losgelassen und sei geflüchtet. Am 17. März will das Gericht einen weiteren Zeugen hören. Erika Krauß hat ihre Aussage gemacht: Die Sache mit dem Presse-Auflauf ist (vorerst) gegessen.