Immer mehr Hamburger leiden unter dem anhaltenden Winter, und zwar vor allem unter dem Eis. Ruth Blank-Depireux (85) ist eine von ihnen.
Die Rentnerin aus Eidelstedt ist nach einem Eingriff an der Hüfte und einer schweren Knieoperation zwar nicht mehr so gut zu Fuß. Still sitzen will sie deshalb aber nicht. Sie singt im Kirchenchor, organisiert gesellige Abende für andere Rentner und, für sie ganz wichtig, versorgt sich selbst. Bisher, denn seit die Straßen und Gehwege in ihrer Umgebung komplett vereist sind, muss die alte Dame zu Hause bleiben.
Der Halstenbeker Weg in Eidelstedt, in dem Frau Blank-Depireux wohnt, ist eine Nebenstraße und wird deshalb nicht geräumt. Nach dem zwischenzeitlichen Tauwetter ist die Straße eine durchgehende Eisbahn. Spiegelglatte Oberfläche, darauf glitschiges Tauwasser, ein unüberwindbares Hindernis für die 85-Jährige und ihren Rollator. Der tägliche Spaziergang zum Bäcker fällt deshalb flach. Das Gleiche gilt für die nahe gelegene Kirche. Und das, obwohl sie nach ihrer Knieoperation eigentlich jeden Tag 45 Minuten lang gehen soll, und zwar auf ärztliches Anraten.
Zum Arzt und zur Krankengymnastik kann Frau Blank-Depireux auch nicht alleine: Der Fußweg zur Bushaltestelle ist nicht geräumt. Da wartet tiefer Schneematsch, in dem der Rollator der Rentnerin stecken bleibt. Will sie weiter, muss sie ihren Gehwagen tragen. "Nicht der Sinn von einer Gehhilfe, oder?" meint die Eidelstedterin lakonisch.
Das Schlimmste sei für sie aber, wegen des Eises von der Hilfe anderer abhängig zu sein. "Dass meine Enkel nach Feierabend für mich einkaufen müssen, das sorgt für so ein beklemmendes Gefühl der Hilflosigkeit. Ohne Hilfe hab ich Hausarrest."