Es war am Anfang dieses schönen Winters, da fiel mir ein Reklamespruch der guten alten Bundesbahn ein. "Alle reden vom Wetter - wir nicht", hieß der, und das Plakat dazu zeigte eine E-10-Lokomotive, die sich durch eine Schneelandschaft kämpfte. Es hatte auch geschneit an diesem Tag, was aber mal im Winter vorkommen kann. Ich stand schön warm, weil eng gepfercht, in einem Bahnwaggon, der ebenfalls stand - auf den Gleisen von Neugraben. Kein Grund zur Klage vielleicht, es war ja mollig.

Nur, ich stand schon eine gute Stunde so zwischen anderen Bahnkunden. Davor hatten wir noch in einer anderen S-Bahn gewartet, auf einem anderen Gleis. Bis nach langer Zeit dort eine quäkende Lautsprecherstimme irgendetwas von Kälte und Problemen dröhnte und dass wir doch einfach den Metronom zur Weiterfahrt nehmen sollten - der just in diesem Augenblick gegenüber anfuhr.

Gefühlte Tage später ruckelte dann der tatsächliche Ersatzzug los und sammelte an weiteren Stationen verfrorene Gestalten ein, die es gewagt hatten (nicht in Sibirien, sondern einfach nur in Fischbek) auf eine S-Bahn zu warten. Komisch, wir redeten alle tatsächlich vom Wetter. Aber eben auch von der Bahn.

Was wir damals nicht ahnten: Es war nur die Ouvertüre einer Verspätungsarie bei S-Bahn und Fernbahn, die nun folgen sollte. General Winter schlug immer wieder zu und brauchte dazu oft nur wenige Minusgrade, um die Bahnen niederzustrecken. Immer wieder klemmte irgendetwas vor allem auf der S 3 zwischen Harburg und Stade. Am Donnerstag schon wieder. Folge: 20 Minuten verspätet zum Termin: Am nächsten Tag dann, spät um 23 Uhr, stand der Zug nach kurzer Anfahrt wieder einmal lange. Eine Winterpanne? Ich werde es nie erfahren, weil die S-Bahn lieber den völlig leeren Bahnsteig per Lautsprecher aufklärte als ihre Kunden in den Waggons. Aber auch andere S-Bahnen haben Kälteprobleme - als sei diese Jahreszeit gerade erfunden worden. Hey, Bahnleute! Man mag zwar über Klimawandel diskutieren - noch leben wir aber nicht in der Karibik. Und auch nicht in Sibirien! Schnee und minus zwei Grad dürfen doch nicht solche Probleme machen, die mich selbst im Fernverkehr einholen.

Vergangene Woche zum Beispiel: Hin- und Rückfahrt im ICE nach NRW, alles schön gebucht inklusive Sitzplatzreservierung: Bei der Hinfahrt gab es den gebuchten ICE plötzlich "witterungsbedingt" nicht mehr - also vier Stunden sitzen auf dem dreckigen Fußboden in einem anderen Zug. Bei der Rückfahrt war mein Waggon Nr. 9 "leider ausgesetzt worden". Wegen des Winters, wie es hieß. Da lagen gerade noch zwei Zentimeter Schnee, und das Thermometer pendelte um null Grad. "Alle reden vom Wetter - wir sowieso", könnte es bei der Bahn heißen.

Kann es sein, dass der Privatisierungskurs, das Trimmen auf Rendite, hier Opfer verlangt? Dass nicht mehr richtig gewartet wird, Züge länger fahren müssen und das ganze schöne Bahnsystem ausgesaugt ist?

Vielleicht ist das alles nur die gefühlte Wahrheit - aber eine kurze Recherche im Archiv macht stutzig: Die Stichworte "S-Bahn, Verspätung und Hamburg" führen für die Jahre 1980 bis 1989 zu gerade mal fünf Treffern. Die gleiche Suche nur für 2009 kommt auf zwölf Meldungen. Die Bahn redet vom Wetter - und wir glauben's nicht mehr!