Kilometerlang zieht sich die Schlange von Menschen, die mitten in Hamburg das eisige Alstervergnügen rund um die Glühweinstände suchen. Doch der Zauber unserer Stadt offenbart sich auf der zugefrorenen Außenalster abseits der kilometerlangen Schlange genau in der Mitte der Außenalster. Hier ist der Besucher nur umgeben von der freien Fläche und der entfernten Silhouette des rechten und linken Alsterufers. "Es ist unglaublich schön, Hamburg von hier aus zu betrachten, weil es hell und ganz ruhig ist", sagt Frank Fechner (47). "Man hört nur ein entferntes Summen der Metropole."
Fechner hat einschlägige Erfahrungen mit dem winterlichen Großereignis. Im Februar 1991 baute er vier Tage lang seinen Stand "Hot Spot" mitten auf die Außenalster. Eine tolle Gelegenheit für den damals 28-Jährigen, der gerade sein Studium als Diplom-Politologe abgeschlossen hatte. "Die 6000 Mark, die ich an den vier Tagen umsetzte, konnte ich gut gebrauchen." Den Becher Glühwein verkaufte er damals für 1,50 Mark, mit Schuss für zwei Mark.
Trotz Thermokleidung würden die Kälte und Feuchtigkeit den Körper angreifen. "Man steht halt stundenlang rum", sagt er. "Nee! Nicht noch mal!" Obwohl Frank Fechner heute mit großem Zulauf rechnen könnte. Schließlich ist er Chef des Eimsbütteler Turnvereins, und der hat 11 000 Mitglieder.
Das Alstereis gilt in Hamburg als einer der gewinnträchtigsten Gastronomie-Böden. Geschickte Glühweinverkäufer setzten fünfstellige Summe an einem Tag um. Sie boten nicht nur den klassischen Glühwein, sondern auch heißen Kakao mit Rum, schwedischen Glöck oder schlichten Grog.
Dementsprechend heftig war der Andrang bei der Lizenzvergabe 1997 für die 150 Stände: Das Telefonnetz der Behörde brach zusammen; und die Lizenzen waren innerhalb von Minuten weg. Auch der Nachschub an Glühwein brach zusammen. "Ich schickte Freunde zur Tankstelle, denn woanders gab es nichts mehr", erinnert sich Frank Fechner. Doch er hat nicht nur gute Erinnerungen. "Ich wurde krank und würde es nicht noch einmal machen, weil ich es gesundheitlich nicht durchstehen könnte."
Zehn Mark kostete der Quadratmeter eines Standes auf der Alster; hinzu kamen 36 Mark für die Schankgenehmigung.
Das Alstervergnügen war früher häufiger möglich. Die Winter 1979, 1986, 1991, 1996 und 1997 bescherten den Hamburgern diesen Spaß. 1985 waren mehr als eine Million Menschen an drei Wochenenden auf dem Eis.
Ein tieferer Blick in die Geschichte offenbart heute, da jeder Zentimeter wachsenden Eises hoffnungsfroh begutachtet wird, Unglaubliches: Im Jahr 1829 war die Alster 100 Tage lang zugefroren; 1929 sogar noch länger. Damals erforschten Wissenschaftler das Alstereis. Satte 3,6 Zentimeter soll das Eis in einer Frostnacht des Jahres 1929 bei minus 10 Grad gewachsen sein. Bei fünf Grad soll der Zuwachs noch 19 Millimeter betragen haben. Heute geht man von einem Wachstum von nur einem Zentimeter bei minus 10 Grad pro Frost aus. Aber vielleicht ist die Kälte heute auch nicht mehr das, was sie früher war ...