Die sanften Asia-Trendsportarten sind für Menschen geeignet, die viel arbeiten oder Stress haben. Also: für jedermann.
Bestimmt haben Sie sie auch schon einmal beobachtet: diese Menschen, die im Park schleichende Bewegungen ausführen, der Welt abgewandt, konzentriert wie einst taoistische Mönche auf dem Berg Wudang. Wer im Morgengrauen gegen seinen Schatten boxt, gilt hierzulande noch als Exot. Lehrerin Susan Kurbjuweit: "Yoga und Pilates entsprechen unserem westlichen Streben nach Leistung. Aber es wird nicht mehr lange dauern, bis Qigong und Tai-Chi bei uns ebenso populär sind." Einige Studios und Vereine haben die asiatischen Trendsportarten bereits in ihr Kursprogramm aufgenommen.
In China ist Tai-Chi der Volkssport Nummer eins und blickt auf eine Jahrtausende alte Tradition zurück. Es ist Teil des Qigong, eines Systems von "beständigen Übungen", die die "Lebensenergie" (Chi oder Qi) anregen, damit sie frei durch den Körper fließen kann. Auf diese Weise werden Blockaden gelöst, das Immunsystem soll gestärkt, Selbstheilungskräfte und Entspannung gefördert werden. Erreicht wird dies durch die drei wesentlichen Elemente Bewegung, geführte Atemtechnik und Vorstellungskraft. Ihnen liegt das "Spiel der fünf Tiere" zugrunde: behäbiger Bär, anmutiger Kranich, geschmeidiger Affe, kraftvoller Tiger und dynamischer Hirsch. Die einst von Mönchen zur Selbstverteidigung entwickelte Kampfkunst diente zur Vorbereitung auf den Kampf, indem die Präsenz im gegenwärtigen Moment gestärkt, die innere und äußere Kraft entfaltet wurde. Danach sollten die geschmeidigen, konzentrierten Übungen den Kämpfer entspannen und zur Ruhe bringen.
Heute wird Qigong kaum noch in dieser Weise eingesetzt. Vielmehr dient Qigong als Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin dazu, Körper und Geist möglichst lange jung und gesund zu halten. Berührungsängste mit der asiatischen Philosophie sind laut Susan Kurbjuweit unbegründet: "Qigong ist für jeden geeignet, der sich darauf einlässt. Besonders Menschen, die in ihrem Berufsalltag viel Stress ausgesetzt sind, sollten Qigong möglichst oft in ihren Alltag integrieren. Auch, wenn es nur zehn Minuten sind." Tai-Chi Chuan lässt sich wörtlich mit "höchstes Prinzip des Faustkampfes" übersetzen. Die traditionelle chinesische Kampfkunst besteht aus einer fließenden Abfolge von sogenannten Hand-Formen.
Es gilt, jegliche angreifende Kraft (Yang) mit Sanftheit und Weichheit (Yin) zu begegnen. Diese ineinander übergehenden Bewegungen imitieren die typischen Posen von Lebewesen wie beispielsweise "Die Ohren des Tigers schlagen" oder sie empfinden die Bewegungen der Elemente Feuer, Erde und Wasser nach, etwa "Den weiten Ozean überqueren", "Wasser schöpfen" oder "Einen Regentropfen auffangen". Häufig werden Vögel wie Bussard, Kranich oder Flamingo imitiert. Die entsprechenden Übungen mit ausgebreiteten Armen und auf einem Bein balancierend heißen "Weißer Kranich breitet seine Schwingen aus" oder "Sperling am Schwanz fassen". Trainerin Berit Lorenz: "Indem ich mir vorstelle, wie ein Flamingo zu stehen, denke ich nicht daran, das Bein zu heben, sondern mich so grazil wie dieser Vogel zu bewegen." Diese Form der Visualisierung erleichtert die zum Teil anspruchsvollen und auch anstrengenden Bewegungen, die die gesamte Körpermuskulatur sowie die Konzentrationsfähigkeit stärken und das Gleichgewicht trainieren.
Die Übungen können im Stehen, Sitzen, Liegen oder Gehen ausgeführt werden - im Sommer draußen im Freien, im Winter in der Turnhalle. Zum Teil wird bei entspannender, meditativer Musik geübt. Vorkenntnisse brauchen Sie weder für Qigong noch für Tai-Chi. Am besten erlernen Sie die jeweilige Technik in einem Kursus. Während die Übungen im Qigong häufiger wiederholt werden, ist die Übungsabfolge im Tai-Chi dynamischer und dementsprechend anspruchsvoller.