Der Deutsche Alpenverein in Hamburg zählt bereits 13 000 Mitglieder. Was fasziniert die Hanseaten so am Kraxeln in der künstlichen Wand?

Man ist einfach mit jeder Faser seines Körpers voll dabei." Wenn Jana Müller beschreiben soll, was sie am Klettern fasziniert, dann geht es der 20-jährigen Psychologie-Studentin nicht darum, irgendwann einmal den Mount Everest bezwingen zu können. Die zierliche Othmarschenerin, 1,60 Meter groß und 50 Kilogramm leicht, gehört zu der immer größer werdenden Schar in Hamburg, die Entspannung und Sport beim Klettern suchen.

Klettern boomt, genaue Zahlen der Begeisterten gibt es zwar nicht, aber mehr als aussagekräftige Indizien. Der Deutsche Alpenverein (DAV) Sektion Hamburg verzeichnete im Jahr 2000 nicht einmal 8000 Mitglieder, jetzt sind es schon 13 000. An Hamburger Schulen entstanden in den vergangenen Jahren immer mehr Kletterwände für Schüler, rund 70 existieren jetzt. Die durchaus beeindruckenden "Luruper Berge" des Goethe-Gymnasiums oder die elf Meter hohe Indoor-Wand der Gesamtschule Allermöhe stehen auch Außenstehenden offen. Und im Schanzenviertel wurde ein Bunker zur Kletterwand transformiert und Kilimanschanzo getauft.

Herzstück der Hamburger Kraxelszene ist aber das DAV-Kletterzentrum an der Döhrnstraße 4 in Lokstedt. Der eigenwillige, 2003 erstellte, 15,5 Meter hohe Turm könnte von Friedensreich Hundertwasser entworfen sein, die 2006 erbaute Halle wirkt hingegen deutlich funktionaler. "Wir platzen jetzt schon wieder aus allen Nähten", sagt der DAV-Trainer Peter Lelek (23). Seit der Eröffnung der Anlage stoßen jährlich rund 1000 neue Mitglieder hinzu, die meisten wollen an die Wände mit den geschraubten Griffen. Was den Anfänger am Klettern reizt, dürfte zum einen das schnelle Erfolgserlebnis sein. Zwölf Schwierigkeitsgrade gibt es, von eins, der schrägen Treppe, bis zu zwölf. "Da klettert dann einer die Raufasertapete hoch", so Lelek. Die Schwierigkeitsstufe drei bis vier schafft aber auch schon der ungeübte. Erst später werden weitere Fortschritte zum Geduldsspiel.

In den künstlichen Kletterwänden ist der Kick vorhanden, das Risiko aber auf ein normal sportliches Maß reduziert. Dass einem indoors nicht der eisige Wind um die Nase pfeift, ist auch hilfreich. Da intensiv auf Sicherung beim Aufstieg geachtet wird, braucht ein Absturz nicht zu ängstigen. Klettern ist Teamsport und gleichzeitig ständiger Vertrauenstest. Der frühere HSV-Trainer Thomas Doll ließ seine Kicker von oben rückwärts fallen und von den Mitspielern auffangen. Er konnte auch in ein Kletterzentrum gehen, um den Teamgeist zu befeuern. Und wer Höhenangst hat, kann sich diese ganz praktisch abtrainieren. "Ich habe noch keinen gesehen, der sie nicht überwunden hat", meint Peter Lelek, der selbst unter dieser Furcht gelitten hatte, als er vor elf Jahren begann.

Klettern ist zudem nicht teuer: Mehr als ein paar Schuhe, einen "Chalk Bag" für Magnesia und einen Sicherungsgurt braucht es nicht, um nach oben zu streben. Dafür werden weniger als 200 Euro fällig.