Ein trauriger Spitzenpaltz für Hamburg: In der Hansestadt ist der Anteil der kinderlosen Frauen am höchsten.

Hamburg/Berlin. Kinderlosigkeit nimmt bei Frauen in Deutschland zu. Im Jahr 2008 hatten 21 Prozent der Frauen zwischen 40 und 44 Jahre keine eigenen Kinder. Unter den zwanzig Jahre älteren Frauen (Jahrgänge 1944 bis 1948) waren es dagegen nur zwölf Prozent. Bei den Frauen, die heute Mitte 40 sind und ihre Familienplanung weitgehend abgeschlossen haben, ist demzufolge der große Anteil Kinderloser bestimmender Faktor für das niedrige Geburten-Niveau. Zum Vergleich: Bei den 25- bis 29-Jährigen hatten zum Zeitpunkt der Befragung 69 Prozent (noch) keinen Nachwuchs. Zu diesem Ergebnis kommt die größte Haushaltsbefragung in Europa („Mikrozensus“), die das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat. Die Statistiker hatten im vergangenen Jahr rund 260.000 Frauen zwischen 15 und 75 Jahren befragt. Grundsätzlich werden Kinder in Deutschland aber am häufigsten von Verheirateten zur Welt gebracht: 2008 waren 91 Prozent der 40- bis 75-jährigen Ehefrauen auch Mutter.

Der Statisitk zufolge liegt Hamburg bei der Kinderlosigkeit von Frauen bundesweit an der Spitze. Von 100 Frauen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren haben 71 noch kein Kind. Bei den 35- bis 49-Jährigen sind es 33 Frauen von 100. Auf Platz zwei liegt Berlin (67/28), auf Platz drei Bremen (62/27). In Mecklenburg-Vorpommern haben hingegen lediglich 42 von 100 Frauen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren kein Kind. Bei der 35- bis 49-Jährigen sind es gar nur elf.

„Diese neuen Daten bieten eine substanzielle Grundlage für Familienpolitik, Forschung und demografische Vorausberechnungen“, sagte Roderich Egeler, Präsident des Statistischen Bundesamtes. Wegen der gravierenden Veränderungen in der Altersstruktur sei es wichtig, ein klares Bild über die Entwicklung demografischer Faktoren zu gewinnen. Viele Änderungen zeigten erst nach Jahrzehnten spürbare Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme. Darüber hinaus zeigt die Statistik, dass es in Deutschland ein deutliches Ost-West-Gefälle gibt. Während von den 40- bis 75-jährigen Frauen in den westlichen Bundesländern 16 Prozent keine Kinder haben, sind es im Osten nur 8 Prozent. In Westdeutschland hängt zudem die Kinderlosigkeit häufig vom Bildungsstand der Frauen ab. 2008 hatten.

28 Prozent der westdeutschen Akademikerinnen im Alter von 40 bis 75 Jahren keine Kinder. Bei den ostdeutschen Frauen mit akademischem Grad betrug dieser Anteil lediglich elf Prozent. Zuwanderinnen in Deutschland sind ebenfalls wesentlich seltener kinderlos als in Deutschland geborene Frauen. Von den 35- bis 44- jährigen haben nur 13 Prozent keine Kinder, bei den in Deutschland geborenen Frauen ist dagegen jede vierte kinderlos. Zudem ist die Kinderlosigkeit in Städten höher als in ländlichen Regionen: Bei den zwischen 1974 bis 1983 geborenen Frauen haben 62 Prozent keine Kinder. In ländlichen Regionen sind es nur 47 Prozent.

Aus der Sicht von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) dokumentieren die Zahlen, dass die Politik der vergangenen Jahrzehnte zu zögerlich auf sich ändernde Lebensverhältnisse reagiert hat. „Höhere Bildung und Kinder, das war in Westdeutschland viel zu lange für Frauen unvereinbar“, sagte sie am Mittwoch. Es müsse sich ändern, dass sich Frauen entweder gegen den Beruf oder gegen Kinder entscheiden müssen. Der Mann als Familienernährer ist bei der Entscheidung deutscher Frauen für ein Kind offensichtlich nicht mehr ausschlaggebend, ergab eine Vergleichsstudie des Rostocker Max-Planck-Instituts für Demografische Forschung unter rund 5500 Probanden in Deutschland, Frankreich, Bulgarien und der Russischen Föderation. In allen Ländern war für die Frauen die eigene Berufstätigkeit das entscheidende Kriterium beim Kinderwunsch.

Bei deutschen und russischen Frauen war dazu eine Vollzeitstelle erwünscht, in Frankreich und Bulgarien reichte schon eine Teilzeitstelle. Unterdessen hat das Bundesarbeitsministerium und der Europäische Sozialfonds für Deutschland (ESF) 60 Millionen Euro zur Förderung von Hilfsprojekten für Alleinerziehende bereitgestellt. Minister Olaf Scholz (SPD) wählte am Mittwoch in Berlin auf Empfehlung einer Jury 79 Projekte aus dem gesamten Bundesgebiet aus, welche die Verdienstmöglichkeiten von Alleinerziehenden verbessern wollen. Dadurch soll erreicht werden, dass sie und ihre Kinder langfristig unabhängig von staatlichen Fürsorgeleistungen leben können.

Zudem forderte von der Leyen mehr Unterstützung für alleinerziehende Mütter. Die Tatsache, dass bereits rund ein Drittel aller Kinder heute von ledigen Müttern geboren wurde, zeige „wie schnell sich die Lebenswirklichkeit in wenigen Jahren verändert“, sagte von der Leyen dem Hamburger Abendblatt (Donnerstagsausgabe). „Auch diese Familien müssen in einer modernen Gesellschaft Unterstützung erfahren, zum Beispiel durch gezielte Hilfen beim Wiedereinstieg in den Beruf nach der Babypause, ausreichend gute Betreuungsangebote für die Kinder und nicht zuletzt durch eine starke Kinderkomponente im Steuerrecht, die diesen Müttern mehr von ihrem selbstverdienten Einkommen lässt“, sagte von der Leyen weiter.