Heute: Gesamtschule Fischbek. Hier kochen die Hausmeisterin und eine Mutter jeden Tag Mittagessen aus frischen Zutaten für 30 bis 100 Schüler.
Mittags, 11.30 Uhr in der Gesamtschule Fischbek im südwestlichsten Stadtteil Hamburgs - nahe der S-Bahn-Station Neugraben. Einzelhäuser, schmale Straßen und viel Grün vor der ehemaligen Turnhalle, in der jetzt die Mensa untergebracht ist. Drinnen tönt ein scharfer Pfiff. Vize-Direktorin Nicole Boutez hat wie auf dem Fußballplatz einen Schüler angepfiffen, der an der Tür drängelte. Der Junge weicht von der Tür, lächelt - und guckt fast ein bisschen stolz. Der erste Schulkantinen-Test des Abendblatts beginnt.
Hinter der Tür drängen sich die Schüler an der Essensausgabe. Vier Mädchen umringen Cornelia Poletto, wollen ihr unbedingt die Hand geben. "Es wird Ihnen bei uns gefallen!", sagen sie aufgeregt. Wenig später am Esstisch wird die Sterneköchin noch heftiger umlagert. Die Mädchen scheinen an ihr zu hängen. Bewundernde Blicke für eine Frau, die es nach einer Lehre geschafft hat, eine der berühmtesten Köchinnen Deutschlands zu werden. Die Bewunderinnen können gar nicht abschätzen, was es bedeutet, wenn Cornelia Poletto ihre Speise tatsächlich aufisst - nämlich höchstes Lob.
Um es vorwegzunehmen: Vom vermeintlichen Problem-Stadtteil zeigt sich an dieser mehrfach ausgezeichneten Schule keine Spur. Die Noten, die die Sterneköchin für Speisen und die Küche verteilt, liegen zwischen 1 und 2 minus. Nur für die Präsentation gab Cornelia Poletto ein "befriedigend": "Alles ist vorbildlich. Mehr geht nicht!"
Durch die Schulmensa zieht ein Duft nach Sahne, Butter und Großmutters Küche. Es gibt zwei Königsberger Klopse mit Reis und einem Apfel oder Joghurt als Nachtisch für zwei Euro. Für Moslems extra aus Rinder-, nicht aus gemischtem Hack. Die Stimmung unter den Schülern ist ausgelassen. "Ruhig mal bisschen großzügig", fordert ein Schüler scherzhaft, als er den randvollen Teller bekommt.
Cornelia Poletto strahlt. "Hier liegt kein Krümel", sagt sie leise in der Küche. Diese ist 24 Quadratmeter klein und das Reich von Hausmeisterin Barbara Carsten (57, die Familie stammt aus Königsberg) und Angela Roder (49). Beide kochen hier von 9 bis 14 Uhr.
Und sie werden offensichtlich sehr geschätzt. Mehrfach hört man Lehrer, die ihr Essen holen, sagen: "Danke, ihr Süßen!"
Die Sterneköchin stellt nüchtern fest: "Man sieht, dass die Küche immer sauber ist. Alles ist appetitlich, gepflegt, das Obst liegt frisch gewaschen zum Abtropfen." Dann interviewt Poletto die Köchinnen. "Für die Soße haben wir eine Brühe mit Knochen und Gemüse aufgesetzt. Dann eine leichte Mehlschwitze mit Milch gemacht und mit Salz, Zucker, Zitrone und Sahne abgeschmeckt", sagt Barbara Carsten. Alles werde selbst gemacht. "An anderen Tagen schälen wir hier 15 Kilogramm Kartoffeln mit der Hand", sagt Angela Roder. Das Kartoffelpüree schmecke manchen Kindern besser als zu Hause. "Die kennen wohl nur Tüten-Püree", vermutet Angela Roder, die seit acht Jahren an der Schule kocht. "Ich ging hier selber mal zur Schule, mein Sohn war hier; und nun macht es einfach Spaß zu zeigen, dass wir besser sind als eine Lieferküche."
Die Königsberger Klopse finden Anklang. "Saftig mit gutem Fleischgeschmack, keine Spur von Brötchenpampe", urteilt Poletto. Auch der Reis sei tadellos. Kindgerecht sei der Verzicht auf viel Salz und mehr Zitrone. Die Sterneköchin blickt sich um. Die Teller gehen leer zurück. Äpfel werden verspeist. Ist ihr etwas Negatives aufgefallen?
Da wird die berühmte Köchin energisch: "Hallo! Wir unterhalten uns hier über ein Mittagessen für zwei Euro!" Da könne man nicht wild rumkritisieren. "Besonders wenn die Damen hier so hingebungsvoll arbeiten. Das ist wie in einem Familienbetrieb", sagt Poletto.
Die Kalkulation der Mensa in der Gesamtschule Fischbek ist gemischt. Zwei Euro decken meist nicht die Kosten. Dann gebe es manchmal eben Pfannkuchen mit Marmelade oder Hack. Die Hausmeisterin erledigt die Küchenarbeit während ihrer Arbeitszeit. Angela Roder erhält 200 Euro im Monat. Beliebteste Speise sind Pommes frites, die es alle 14 Tage gibt. Doch auch Sauerkraut und Kassler wird im Winter gern genommen. Poletto nickt anerkennend. Nur die übervollen Teller sind der Spitzenköchin ein Dorn im Auge. "Aber das muss wohl sein, wenn ich sehe, wie es schmeckt."
Zeugnis
Schule: Gesamtschule Fischbek
Cornelia Poletto testet heute ein Gymnasium - ihr Urteil lesen Sie morgen. Die Schulerinnerungen setzen in dieser Woche aus.