G8-Gipfel, Obama-Auftritt und Koalitionsverhandlungen - 41-Jähriger setzt sich ins Bild.

Es ist nicht so, dass er kein politisches Forum hätte: Dirk Mirow ist Mitglied der Harburger SPD und seit Juni sogar Deputierter der Hamburger Innenbehörde. Doch auf die klassische Karriere in seiner Partei hat es der 41-Jährige offenbar nicht abgesehen. Er schreibt lieber zornige Leserbriefe und demonstriert wahlweise auf G8-Gipfeln, gegen Werksschließungen oder für Barack Obama. Neuerdings tritt er sogar als Politclown auf: Als die hessische SPD-Spitzenfrau Andrea Ypsilanti im Sommer ihr Versprechen brach, niemals mit der Linken kooperieren zu wollen , besorgte sich Mirow ein Pinocchio-Kostüm, fuhr nach Frankfurt am Main und schwenkte dort vor der SPD-Zentrale ein Plakat mit der Aufschrift "SPD-Wahlversprechen - Jeder kann sich mal versprechen". Mitte September postierte er sich in demselben Aufzug und für die Kameras wieder sehr gut sichtbar hinter der neuen Hamburger Schulsenatorin Christa Goetsch, die verzweifelt versuchte, der Öffentlichkeit zu erklären, warum die GAL im Koalitionsvertrag dem Bau des Kohlekraftwerks Moorburg nun doch zugestimmt hatte . Der Spiegel, der Mirow heute eine Doppelseite widmet, deutet die Verkleidung als "Schutzschild". Der Mann, heißt es da, wolle "Grenzen überschreiten, ... ohne Verantwortung zu tragen". Er suche "das abgesicherte Risiko".

Tatsächlich hat sich Mirow den Kollegen der ARD-"Tagesthemen" als Manuel Dörsam vorgestellt, als er im Oktober in Berlin mit dem Slogan "Stoppt die Steuergeldverbrennung!" gegen das milliardenschwere Rettungspaket der Bundesregierung protestierte. Dass es sich bei dem angeblichen Berliner Rechtsanwalt, der sich hinter einer großen dunklen Sonnenbrille verbarg, in Wahrheit um den Harburger Schiffszimmermannssohn Dirk Mirow handelt, erkannten nur die Parteifreunde zu Hause.

Video: Der Harburger Politik-Pinocchio im Interview

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Mirow hat laut "Spiegel" ein Diplom als Verwaltungswirt gemacht und die Bucerius School of Law mit aufgebaut, bevor er vor drei Jahren zum Kanzler der Kieler Kunsthochschule berufen wurde. Als damals die Hamburger Aluminium-Werke geschlossen werden sollten, schrieb er ans Hamburger Abendblatt, die Politik habe von Anfang an "auf verlorenem Posten gekämpft". Es sei offensichtlich etwas "aus dem Lot geraten". Solche Sätze erhellen Mirows Motivation, sein Versteckspiel erklären sie nicht. Das hat wohl doch eher mit der eigenen Parteimitgliedschaft zu tun.

Denn während Mirow sein Gesicht auf dem G8-Gipfel in Rostock und bei Obamas Berlin-Auftritt offen gezeigt hat, hat er sich in Düsseldorf bei seinem Protest gegen den parteiinternen Umgang mit Ex-Bundeswirtschaftsminister Clement - "Wenn Wolfgang Clement aus der Partei geworfen wird, trete ich auch aus!" - hinter der Kunstfigur Dörsam versteckt. Und in Frankfurt hat er einen SPD-Sprecher genarrt. Der war sichtlich von den Socken, als ihm Pinocchio auf seine Frage "Wer sind Sie denn?" mitteilte: "auch Genosse".

Dirk Mirow war gestern leider nicht erreichbar. Er sei im Ausland, hieß es, und sein Mobiltelefon blieb abgestellt. Schade. Denn wo bei diesem Mann die Grenze zwischen echter Empörung und möglicher Geltungssucht verläuft, lässt sich wohl nur im persönlichen Gespräch ermessen.