Die Saga/GWG registriert zunehmend handgroße Löcher und durchgeschlagenen Putz an renovierten und gedämmten Hauswänden.
"Ich glaube, es hackt", dachte Veronika Schomaker (53) aus Rahlstedt, als sie durch ihr Küchenfenster beobachtete, wie plötzlich Styroporflocken in ihren Vorgarten rieselten. Sie trat nach draußen - und tatsächlich hämmerte an der Außenfassade gerade ein Buntspecht (Dendrocopos major) mit seinem kräftigen Schnabel gegen die energiesparende Wärmedämmplatte.
Kein Einzelfall in Hamburg: Die städtische Wohnungsgesellschaft Saga/GWG, die in den vergangenen Jahren die Rotklinker-Fassaden von rund 70 000 ihrer insgesamt 130 000 Wohnungen renoviert und in eine CO2-sparende, staatlich subventionierte Dämmschicht gehüllt hat, verzeichnet eine wachsende Zahl "randalierender Untermieter" im Federkleid. Denn die Errungenschaft moderner Energiespartechnik zieht durch das hohle Geräusch, das beim Klopfen entsteht, viele der insgesamt 2700 Brutpaare an, die im Großraum Hamburg leben.
"Die Spechte suchen in dem vermeintlichen Hohlraum nach Nahrung wie Insekten und Larven, bauen sich manchmal auch warme Schlafhöhlen im Styropor", sagt Diplom-Biologe Bernd Quellmalz vom Naturschutzbund (Nabu) Hamburg. Besonders jetzt im Spätherbst werden diese Höhlen gebaut, wenn die Jungvögel neue Reviere besetzen und sich ihre Schlafplätze zimmern.
An den Fassaden schlägt sich diese akustisch orientierte Suche in handgroßen Löchern, tiefen Einkerbungen und durchgeschlagenem Putz nieder. "Bei uns melden sich derzeit jeden Tag zwei Anrufer, bei denen der Specht zu Besuch war", sagt Bernd Quellmalz. Er selbst habe auch schon erlebt, dass der Buntspecht anklopft. "Und zwar, als wir noch in einem Haus in der Nähe eines Waldgebiets gewohnt haben", sagt Quellmalz.
Besonders betroffen seien tatsächlich die Siedlungen am Stadtrand, bestätigt Saga-Sprecher Carl Mario Spitzmüller. "Die Löcher der Spechte wieder zu flicken ist meist nicht besonders aufwendig." Ausnahme: ein Specht schlägt an der Fassade in großer Höhe zu, sodass für die Reparatur ein Baugerüst gebraucht wird. "Wenn wir dann mehrere Stellen ausbessern müssen, kommen schnell Kosten von 3000 Euro zusammen", sagt Anja Ehlers, die die Saga/GWG-Geschäftsstelle Rahlstedt leitet. "Ich erinnere mich an ein Loch von solcher Größe, dass ein erwachsener Mann seinen gesamten Arm da reinstecken konnte", sagt Ehlers. In solchen Fällen sei schnelles Handeln gefragt, um größere Schäden zu vermeiden: "Wenn erst einmal Wasser in dieses Loch läuft, haben unsere Mieter plötzlich nasse Wände. Die Reparatur wird dann richtig teuer", so Anja Ehlers.
Dabei sei die Saga äußerst "vogelfreundlich", sagt Carl Mario Spitzmüller. "Wir haben mittlerweile über das gesamte Stadtgebiet verteilt insgesamt 750 Nistkästen aufgestellt, in denen Vögel sozusagen mietfrei wohnen dürfen." Während zumeist Mauersegler eingezogen sind, haben die Buntspechte an diesen Immobilien aber kein Interesse. "Fertige Nistplätze sind bei Buntspechten nicht gefragt", bestätigt der Naturschutzbund.
Hausverwalter warten derweil mit zahlreichen Ratschlägengegen die "Thermospechte"auf: Sie empfehlen unter anderem, Attrappen größerer Raubvögel aufzustellen, oder Silhouetten auf die Fensterscheiben zu kleben. Experten wie der Hamburger Ornithologe Uwe Westphal zweifeln jedoch an der Wirksamkeit dieser Methode: "Man kann es ausprobieren. Aber die Vögel durchschauen die Tricks wahrscheinlich sehr schnell."