Von der Protestpartei mag sich die GAL längst zu einer Regierungspartei entwickelt haben. Doch ganz sind die alten Sponti-Reflexe nicht verloren...

Von der Protestpartei mag sich die GAL längst zu einer Regierungspartei entwickelt haben. Doch ganz sind die alten Sponti-Reflexe nicht verloren gegangen. Da hat im Bürgerhaus Wilhelmsburg zum Beispiel Detlef Kröger seinen großen Auftritt. Noch bevor die Debatte über das Kohlekraftwerk Moorburg begonnen hat, richten sich zwei Minuten lang alle Kameras auf ihn. Kröger, seit Langem Mitglied im Kreisverband Eimsbüttel, hat sich eine lange Pinocchio-Nase aufgesetzt. Die Botschaft ist klar: Umweltsenatorin Anja Hajduk hat mit der Genehmigung des "Klima-Monsters" Moorburg ein zentrales Wahlversprechen Lügen gestraft.

Aber die GAL wäre nicht die GAL, wenn sie Menschen wie Kröger nicht gewähren ließe.

Aufschlussreich sind die Mienen der Hauptakteure. Denjenigen, die die Verantwortung für die Moorburg-Entscheidung tragen, steht die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Anja Hajduk begrüßt ihre Parteifreunde nur kurz und wirkt ansonsten in sich gekehrt und hoch konzentriert. Ihr Staatsrat Christian Maaß, Jurist und einer der entscheidenden Ratgeber für den Rechtsfall Moorburg, feilt noch an seiner Rede. Anders ist die Stimmung etwa bei Ex-Bürgermeisterin Krista Sager, heute stellvertretende Fraktionschefin der Grünen im Bundestag. Sager, die für einen Verbleib in der Koalition ist, verbreitet Optimismus. "Ich war aufgeregter vor der Info-Veranstaltung unmittelbar nach der Genehmigung."

Richtig eilig hatten es die Grünen nicht, mit ihrer Versammlung zu beginnen. Kurz vor 19 Uhr, dem vorgesehenen Beginn, verloren sich nur wenige Mitglieder im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Erst nach und nach füllten sich die Reihen. Manch lang gediente Strategen des alten Realo-Flügels lassen hinter vorgehaltener Hand deutlich werden, dass die Stimmungslage eindeutig für den Verbleib in der Koalition ist. Früher war es üblich, vor wichtigen Entscheidungen auch grüne "Karteileichen" zu aktivieren, um für die gewünschten Mehrheiten zu sorgen. "Mich haben Leute angerufen und gefragt, ob sie kommen müssen. Ich habe denen gesagt: Das ist nicht nötig", sagt einer, der lange dabei und für den Verbleib im schwarz-grünen Bündnis ist. "Ich finde aber auch, dass solch eine wichtige Entscheidung von den Aktiven allein kommen muss." Das soll heißen: Wenn es nötig wäre, Mehrheiten zu organisieren, dann wäre ohnehin etwas falsch gelaufen.

Um 19.22 Uhr ist es dann so weit. Anja Hajduk ergreift als erste Rednerin das Wort. "Du hast uns verraten", krakeelt einer von ganz hinten. Auch hier gilt das GALische Prinzip: gewähren lassen. Ein paar Zwischenrufe folgen noch, manche vom Beifall für Hajduks couragierte Rede übertönt. Um 21 Uhr zieht die frühere Bürgerschaftsabgeordnete Gudrun Köhnke ein erstes Fazit. "Ich glaube, die Stimmung ist hier so, dass die Kuh vom Eis ist." Sie sollte recht behalten.