Laut Senat braucht die Hochschule eine “grundsätzliche“ Lösung. Ex-Präsident Lüthje: “Chancen wurden verpasst“.

Die Farbe riecht noch frisch. Hell ist es in der Bibliothek des Fachbereichs Erziehungswissenschaften, und wer an einem der Arbeitsplätze seinen Laptop einstöpselt, muss sich fragen, warum Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) gerne das Wort "marode" verwendet, wenn sie vom Campus in Eimsbüttel spricht. Auch auf politischer Ebene ist der Zustand der Uni Hamburg offenbar eine Frage der Perspektive. "Sie ist bereits zur Hälfte saniert", sagte SPD-Hochschulexpertin Dorothee Stapelfeldt. "Flickschusterei hilft nicht mehr, eine grundsätzliche Lösung muss her", lautet hingegen die Diagnose von CDU-Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach. Dora Heyenn, Linke-Fraktionschefin, bezeichnete Neubaupläne kürzlich als "Schnapsidee", woraufhin ihr CDU-Hochschulexperte Wolfgang Beuß vorwarf, den Sanierungsbedarf "dreist" zu ignorieren.

Fest steht: 152 Millionen Euro sind in den vergangenen sechs Jahren in die Uni geflossen (siehe Liste rechts). Hinzu kamen Spenden, etwa vom Ehepaar Greve für die Flügelbauten am Hauptgebäude. Der Zustand der Uni dürfte also zumindest besser sein, als Teile der laufenden Diskussion derzeit den Anschein erwecken - besonders vor dem Hintergrund, dass die Wissenschaftsbehörde auch das Milliardenprojekt einer kompletten Verlegung des Campus auf den Kleinen Grasbrook südlich der HafenCity prüft. Dies wäre auch aus stadtplanerischer Sicht ein wirkungsvoller Schachzug, um die "wachsende Stadt" südlich der Elbe zu beleben.

Während Senatorin Gundelach betont vorsichtig formuliert, vier Zukunftsszenarien für die Uni bis zum kommenden Frühjahr "ergebnisoffen" prüfen zu lassen, spricht sich Uni-Präsidentin Monika Auweter-Kurtz beherzt für die kostspieligen Umzugspläne aus. Eines ihrer Argumente: Am jetzigen Standort fehle der Uni der Platz zur weiteren Entwicklung. Bis zu ihrem Amtsantritt im Jahr 2006 hatte sich das vorherige Uni-Präsidium allerdings vehement dafür eingesetzt, die Hochschule am jetzigen Standort auszubauen. Ein Kurswechsel, der nun Ex-Präsident Jürgen Lüthje auf den Plan gerufen hat. Dem Abendblatt berichtete er von der "verpassten Chance", den Campus auf das ehemalige Postgebäude in der benachbarten Schlüterstraße auszuweiten. Rund 12 000 Quadratmeter weitere Fläche hätte der an Gebäude der US-Universität Harvard erinnernde Backsteinbau geboten. Zwar scheiterten damals Pläne, das Gebäude zu kaufen. Laut Ex-Uni-Chef Lüthje habe es jedoch einen "unterschriftsreifen" Mietvertrag zwischen dem neuen Eigentümer des Postgebäudes, einem Immobilienfonds und der Uni gegeben. "Mit 8,50 Euro pro saniertem Quadratmeter wäre der Preis günstig gewesen", sagte Lüthje. Diese Vertragsvorlage habe er anschließend "auf Wunsch der Wissenschaftsbehörde" seiner Nachfolgerin Auweter-Kurtz übergeben, die den Vertragsabschluss offenbar nicht weiter verfolgt habe. Auch Eimsbüttels Bezirkschef Jürgen Mantell (SPD) bestätigte dem Abendblatt, dass sich die Versammlung damals "fraktionsübergreifend" darauf geeinigt habe, die Nutzungsvorschriften des Geländes an der Schlüterstraße zu ändern, um eine Uni-Erweiterung zu ermöglichen.

Uni-Präsidentin Auweter-Kurtz bezeichnete den Vorwurf ihres Amtsvorgängers als "absurd". Ihr habe ein entsprechender Vertrag niemals vorgelegen, sagte sie dem Abendblatt. "Wir als Universität sind zudem gar nicht befugt, derartige Mietverträge abzuschließen. Herr Lüthje hat die Vertragsverhandlungen offenbar allein geführt." Grundsätzlich sei die Universität sehr daran interessiert, das Gebäude anzumieten, versicherte sie.

Noch Ende dieses Monats werden von der Behörde ausgewählte Experten mit der Prüfung der Szenarien beginnen. Spätestens dann wird die Debatte um die Zukunft der Uni konkreter werden.

Filmberichte zum geplanten Uni-Umzug