ABENDBLATT: Eine Anfrage des SPD-Politikers Andreas Dressel belegt, dass in Hamburg immer weniger jugendliche Straftäter verurteilt werden. Ist die Justiz zu lasch?

CARSTEN LÜDEMANN: Herr Dressel argumentiert unseriös. Er verschweigt die Verurteilungszahlen unter dem rot-grünen Senat. Fakt ist: Im Jahr 2000 gab es in Hamburg 960 verurteilte Heranwachsende und 641 verurteilte Jugendliche. Im Jahr 2006 wurden demgegenüber 1674 Heranwachsende und 1064 Jugendliche verurteilt. Weiteres Beispiel sind die Zuchtmittel, wozu auch der Jugendarrest zählt: Unter Rot-Grün gab es pro Jahr 880 Verurteilungen, heute sind es 1512. Auch die allgemeine Jugendkriminalität ist rückläufig. Ich kann nicht erkennen, dass Hamburgs Justiz zu lasch wäre.

ABENDBLATT: Faktisch werden die meisten Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren nach dem Jugendstrafrecht behandelt.

LÜDEMANN: Niemand kann verstehen, dass man mit 18 zur Bundeswehr muss, Auto fahren kann und voll geschäftsfähig ist, zugleich aber strafrechtlich wie ein 15 Jahre alter Hühnerdieb behandelt wird. Wenn ich das ändern will, dann muss das bundeseinheitliche Jugendstrafrecht geändert werden. Ich habe konkrete Gesetzesvorschläge gemacht, zum Beispiel regelmäßige Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf Heranwachsende und die Erhöhung des Strafrahmens von zehn auf 15 Jahre. Die SPD-Bundesjustizministerin Zypries hat die Gesetzentwürfe der CDU-Justizminister seit einem Jahr auf dem Tisch und handelt nicht.

ABENDBLATT: Aber warum wird die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft nicht häufiger von Ihnen animiert, Urteile auch mal anzufechten und in die Berufung zu gehen.

LÜDEMANN: Ich habe in der Regel keinen Grund, meinen Staatsanwälten nach Gutsherrenart in ihre Fälle reinzureden. Unsere Staatsanwälte bearbeiten rund 150 000 Verfahren im Jahr. Wer mit Einzelanweisungen arbeiten will, anstatt die Staatsanwaltschaft mit den richtigen gesetzlichen Instrumenten auszustatten, der liegt neben der Spur.

ABENDBLATT: Kriminologen verweisen darauf, dass gewalttätige Jugendliche nur vor einer Art von Strafe Respekt haben: vor der Haft. Warum wird trotzdem so stark auf die Alternativen gesetzt?

LÜDEMANN: Es ist schon vernünftig, wenn wir im Jugendstrafrecht ein abgestuftes System von Erziehungs- und Sanktionsmitteln haben. Aber die jugendlichen Intensivtäter beeindruckt das überhaupt nicht. Solche Täter muss man in der Tat aus dem Verkehr ziehen. Genau deshalb setze ich mich für ein schärferes Jugendstrafrecht ein.

ABENDBLATT: Zeigt die Tatsache, dass die Haftanstalt Hahnöfersand unterbelegt ist, nicht dass zu "lasch" geurteilt wird?

LÜDEMANN: Nein. Denn die Kriminalitätsbelastung in Hamburg ist auf dem niedrigsten Stand seit 1983, die allgemeine Jugendkriminalität rückläufig. Das gilt auch für die Gefangenenzahlen in unseren Anstalten.