Ärztekammer fordert dringend bessere Arbeitsbedingungen und verkürzte Arbeitszeiten. Auch die Gefahr für Patienten steige.
Sie sollen helfen - dabei brauchen viele von ihnen selbst dringend Hilfe. Eine wachsende Zahl der Hamburger Klinikärzte fühlt sich angesichts von Marathonschichten und hoher Verantwortung körperlich und psychisch erschöpft. Das Risiko, an einem sogenannten Burn-out-Syndrom zu leiden, ist für Hamburgs Ärzte allein in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent gestiegen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) heute vorstellt.
Gefährdet seien insbesondere Chef- und Oberärzte: Von ihnen fühlen sich 32,7 Prozent ausgebrannt. 1997 waren es gerade einmal 12,5 Prozent. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer Hamburg und Vorsitzender des Marburger Bundes: "Es besteht akuter Handlungsbedarf. Arbeitszeiten und Bedingungen müssen schnellstmöglich verbessert werden." In Hamburg sei die Unzufriedenheit der Mediziner ohnehin deutlich höher als im Bundestrend: Von den 4359 Ärzten in den rund 40 Krankenhäusern würden 62 Prozent ihren Job sofort aufgeben. Montgomery: "Viele fühlen sich unter Wert behandelt." Fehlende Anerkennung führe oft zu Burn-out, sagt Susanne Preiss (40). In ihren Stressabbau-Seminaren sitzen zunehmend Ärzte. "Sie sehen sich als Helfer in der Not - und vergessen sich darüber selbst. Viele glauben, als Ärzte dürften sie nie krank werden", so Preiss. Zwar liegt Hamburg bei Fehltagen, die Arbeitnehmer aufgrund von psychischen Erkrankungen nehmen, mit zwei Tagen pro Jahr bundesweit an der Spitze, doch melden sich Ärzte laut Montgomery extrem selten krank: "Viele gehen noch mit dem Kopf unterm Arm in die Klinik." Eine Gefahr für Patienten? "Natürlich steigt das Fehlerrisiko, wenn der Arzt müde und ausgelaugt ist", so Montgomery. Der Mediziner Thomas Bergner, der seit 14 Jahren von Burn-out betroffene Kollegen behandelt, weiß: "Internationale Studien belegen, dass die Zahl der Kunstfehler mit der Burn-out-Gefährdung des behandelnden Arztes deutlich steigt." Chirurgen gehören laut Studie auch in Hamburg zu den am ehesten unter Burn-out leidenden Medizinern. "Je höher die Verantwortung über Leben und Tod ist, desto höher ist auch das Burn-out-Risiko", so Montgomery.
In den Asklepios-Kliniken arbeiten die Mediziner laut Studie am dichtesten an der Erschöpfungsgrenze. Asklepios-Sprecher Rudi Schmidt: "Diese Umfrage mag ein Stimmungsbild sein. Burn-out lässt sich damit sicher nicht diagnostizieren." Mit konkreten Maßnahmen werde die Arbeitssituation der Ärzte stetig verbessert: Allein in den vergangenen zwei Jahren seien 300 neue Stellen geschaffen, mehr als zwei Dutzend neue Chefärzte eingestellt worden. Die Herausforderung seien die steigenden Patientenzahlen. Allein 2006 habe das Plus bei 4,7 Prozent gelegen. "Dieser Herausforderung müssen sich die anderen Hamburger Krankenhäuser, die maximal einen Zuwachs von 1,5 Prozent verzeichnen, nicht stellen", so Schmidt.