Seit Inkrafttreten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes müssen die Patienten 50 Prozent der Kosten selber tragen - pro Versuch sind das im Schnitt 2000 Euro.
Für viele kinderlose Paare ist diese Methode die einzige Hoffnung auf Nachwuchs: Die künstliche Befruchtung. Doch seit Inkrafttreten des "Gesundheitsmodernisierungsgesetzes" müssen immer mehr Paare darauf verzichten. In Hamburg und Deutschland werden dadurch weniger Babys geboren. Experten bezeichnen die Situation als dramatisch. "Alle reden davon, dass unsere Gesellschaft mehr Kinder braucht. Aber die Politik erschwert den Frauen das Schwangerwerden", sagt Olaf Naether, Gynäkologe am Fertility Center Hamburg, einem Institut für künstliche Befruchtung. Mittlerweile bräuchte jedes sechste Paar medizinische Hilfe beim Kinderkriegen, weil Eltern immer älter würden.
2002, zwei Jahre vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, wurden in der Hansestadt noch 6166 künstliche Befruchtungen vorgenommen (bundesweit 87 044), 2005 waren es nur noch 3923 (58 800). Das belegen Zahlen des Deutschen In-vitro-Fertilisations-Registers. Wurden in Hamburg im Jahr 2002 noch 893 Kinder durch künstliche Befruchtung geboren (von 18 366 Geburten insgesamt), waren es 2005 nur noch 571 (von 16 179). Das entspricht einem Rückgang der Geburten durch künstliche Befruchtung von rund 35 Prozent - oder anders gesagt: Durch die Einführung des Gesetzes kamen in Hamburg 1000 Babys nicht auf die Welt. Dietrich Wersich (CDU) Staatsrat der Hamburger Gesundheitsbehörde sagt: "Ich kann den Wunsch nach einer Kostenübernahme bei der künstlichen Befruchtung verstehen, diese Leistung muss aber durch die Krankenkassen auch finanzierbar sein." Dies werde im Auftrag der Sozialminister der Bundesländer gerade geprüft. Tanja Bestmann (SPD) äußert Kritik am Gesetz: "Unfruchtbarkeit ist von der World Health Organisation als Krankheit definiert worden. Deswegen müssen die Kassen alles zahlen."
Der Grund für den Geburtenrückgang bei durch künstliche Befruchtung gezeugten Kindern ist einfach: Seit dem 1. Januar 2004 müssen die "angehenden" Eltern die teure Behandlung zur Hälfte selbst bezahlen. Die Kosten für eine künstliche Befruchtung belaufen sich auf rund 4000 Euro - pro Versuch fallen damit für Paare mit Kinderwunsch durchschnittlich 2000 Euro an. An drei Versuchen beteiligt sich die gesetzliche Krankenkasse, vorausgesetzt, die Paare sind mindestens 25 Jahre alt und verheiratet.
Bei künstlicher Befruchtung unterscheidet man zwischen In-vitro-Fertilisation, bei der sich Eizellen und Spermien im Reagenzglas befruchten, und Intrazytoplasmatischer Spermieninjektion, eine Methode, bei der einer Eizelle gezielt eine Samenzelle injiziert wird.
Semsettin Kocak, Leiter der Kinderwunsch-Klinik auf der Fleetinsel: "Wir haben inzwischen eine Drei-Klassen-Medizin." Aus Privatversicherten, gesetzlich Versicherten und Selbstzahlern. "Sozial Schwache können sich Kinder durch künstliche Befruchtung kaum leisten", so Kocak.