Die Deutsche Umwelthilfe fordert den Stopp dieses Handels. Laut Behörde ist es korrekte Ware.

Ein Hinterhof an der Billstraße in Rothenburgsort: In vier Reihen sind übereinander angerostete Waschmaschinen an einer Schuppenwand gestapelt, Hunderte Computer-Bildschirme lagern vor einem Container, Berge mit Elektroherden, verdreckten Motorsägen. "Das meiste geht nach Afrika", sagt Ali Bejhad. Er nimmt seine Spiegelglasbrille ab und lächelt. Nein, fotografieren lassen möchte er sich nicht - erzählen von dem Geschäft mit den ausrangierten Elektrogeräten schon.

Gerade hat die Deutsche Umwelthilfe diesen Überseehandel über den Hamburger Hafen als illegalen Export von Elektroschrott in Entwicklungsländer angeprangert. Eine billige Methode, um die teuere Entsorgung in der EU zu umgehen. Gefährlich für Menschen, wenn die Geräte zerlegt werden und Giftstoffe frei werden. Deutsche "Umweltstandards" würden dabei nicht eingehalten, beklagte die Umweltorganisation und forderte von der Hamburger Umweltbehörde den Stopp dieses Handels, der rund um die Billstraße blüht. In Sichtweite der Behörde quasi. Die Beamten dort wollen von Müllexport aber nichts wissen. "Das meiste ist korrekt als Handelsware deklariert", sagt Behördensprecher Volker Dumann.

Illegaler Müllexport? Ali Bejhad lächelt wieder. "Ja", sagt er. "In Deutschland ist das alles Müll - in Afrika werden die Geräte aber wieder repariert und funktionieren ein paar Jahre". Und dann? Bejhad zuckt die Schultern. "Import & Export" steht auf einem Schild über seinem Geschäft. Wie bei 20, 30 anderen Tor-Einfahrten des hafennahen Gewerbegebiets auch, das hier im mittleren Teil der Billstraße an eine Art Außenposten der Dritten Welt erinnert. Bejhad kauft die ausrangierten Geräte auf und verschachert sie weiter an Bulgaren, Russen; vor allem aber an Afrikaner. Direkt ab Lager. Schifffahrtsagenturen wickeln den Papierkram ab. Globaltransit und ähnlich heißen die Büros, die praktischerweise gleich mit an der Billstraße ihre Räume haben. 20 bis 30 Container gehen im Monat allein von den Händlern der Billstraße nach Westafrika, schätzt er. Hinzu kommen Tausende, meist arg angeschlagene Gebraucht-Pkw, die vor der Verschiffung nach Ghana oder Nigeria bis unters Dach mit Computern oder auch Küchengeräten vollgestopft sind. Eine Drehscheibe dieses Geschäfts zwischen libanesischen Autohändlern und afrikanischen Exporteuren liegt an der Billstraße auf dem Gelände des ehemaligen Huckepack-Bahnhofs, direkt unter den Bürofenstern der Umweltbehörde. Ihre Autohöfe haben die Händler mit Bauzäunen abgeteilt. Hochglanz ist selten, zerbeulte Karossen häufiger. Männer beugen sich über geöffnete Motorhauben, auch hier viele Afrikaner. Basar-Atmosphäre am Bahngleis.

Doch in den Hinterhöfen der Billstraße wird nicht nur gehandelt, was die Wohlstandsgesellschaft als wertlos erachtet. Afghanische Geschäftsleute haben sich hier auf eine andere Export-Art spezialisiert. Restposten von Fernost-Elektronik. Palettenweise lagern auch TV-Geräte, Mixer, Spielzeugmotorräder sowie Autoradios in den Schuppen an der Billstraße. "Alles für den Export", sagt ein älterer Herr in gepflegtem Englisch. Kinderarzt sei er gewesen, vor 13 Jahren in Afghanistan. Bis die Taliban kamen. Jetzt verkauft er in Hamburg als Zwischenhändler die billigen Elektroartikel an Bulgaren, Rumänen, Russen oder auch Afrikaner. Containerweise kommt die Ware an und wird auch so weiterverschifft. "Diese Straße hier ist in vielen armen Ländern eben sehr bekannt - bekannter als St. Pauli und die Reeperbahn", sagt der freundliche ältere Herr, der einmal Kinderarzt gewesen ist. Fotografieren lassen möchte er sich auch nicht, genauso wenig wie seine Kunden. "Dass müssen Sie verstehen", sagt er. "Die Menschen hier kommen oft aus Ländern, in denen es nicht gut ist, seine Meinung öffentlich zu sagen." Mehmet Karabacak ist da weniger vorsichtig. Gegen ein Foto hat er nichts. Als Kind ist der 41-Jährige aus der Türkei in die Hansestadt gekommen, wirkt mit seinen blauen Augen und dem Hamburger Dialekt aber, als sei er auf St. Pauli groß geworden. Auch er handelt wie sein Nachbar Ali Bejhad mit alten Elektrogeräten und Autos, die andere als Schrott bezeichnen würden. Dass die Deutsche Umwelthilfe dabei von illegalem Müllexport spricht, ärgert ihn, wie er sagt. "Die Umweltbehörde ist jeden Tag hier und kontrolliert." Nein, glaubt Karabacak. Der Unterschied liege einfach im Lohn. Er zeigt auf einen alten weißen VW-Bus, der vor vielen Jahren seine letzte TÜV-Plakette erhalten hatte. "Wenn da ein Handwerker in Deutschland rangeht, kostet das 60 Euro die Stunde - in Afrika arbeitet für das Geld jemand einen Monat". Bei Transportkosten von nur 500 US-Dollar pro Fahrzeug lohnt sich das, sagt er. "Wenn man dann noch jede Lücke mit Computern, Töpfen oder Teppichen vollstopft, macht man auch ein paar Euro Gewinn." Beide eben. Die Händler an der Billstraße - und ihre Kunden in Afrika. Für manche ist das Müllexport. Für andere ein schmales Business am Ende einer Handelskette, die heute Globalisierung genannt wird.