Er fühlt sich auf eine besondere Weise berührt, sagt Hans-Jürgen Stellbrink (50). Denn hier im Hof des Untersuchungsgefängnisses am Holstenglacis wurde sein Großvater geköpft. Fast 64 Jahre später steht Hans-Jürgen Stellbrink mit seinen Schwestern Dörte Hölthöfer (46) und Anke Laumayer (48) und seiner Mutter Anne (80) genau an der Stelle, an der die Nazis den Großvater und Schwiegervater, Pastor Karl Friedrich Stellbrink, sowie drei weitere katholische Geistliche aus Lübeck hinrichteten. Gestern wurden zum Andenken an die Opfer des Nazi-Terrors vier Stolpersteine am Eingang zum Untersuchungsgefängnis gesegnet. Insgesamt gibt es in Hamburg mittlerweile 1800 Stolpersteine. Für Passanten war es ein merkwürdiger Anblick gestern Mittag am Holstenglacis 3: Inmitten von Baulärm steht am Eingang des Gefängnisses eine Gruppe meist älterer Menschen. Darunter auch Bischöfin Maria Jepsen. Sie beten und singen gemeinsam mit Kaplan Oliver Meik und Pastorin Birgit Vocka. Mit der Andacht und der anschließenden Segnung der Steine sollte auf das Schicksal der vier Geistlichen hingewiesen werden. Pastor Stellbrink, Vikar Hermann Lange, Adjunkt Eduard Müller und Kaplan Johannes Prassek wurden nacheinander am 10. November 1943 im Hof der Untersuchungshaftanstalt hingerichtet. Alle vier waren um die 30 Jahre alt, als sie sterben mussten. "Jeweils im Abstand von zwei Minuten wurden sie hingerichtet, der eine im Blut des anderen", sagt Hans-Jürgen Stellbrink. Sein Großvater wurde als letzter getötet. Das Nazi-Regime warf den Geistlichen unter anderem Vorbereitung zum Hochverrat vor und Wehrkraftzersetzung (das bedeutet allgemein alle Äußerungen und Handlungen, die die Kampfkraft der Truppe negativ beeinflussen). In einem Abschiedsbrief an den Bischof schrieb Kaplan Johannes Prassek: "Heute darf ich sterben. Machen Sie sich keine Sorgen. Im Himmel werde ich noch viel mehr für Sie beten. Ich sterbe in Liebe und Sorge um unser deutsches Vaterland." Sein Großvater, sagt Hans-Jürgen Stellbrink, sei ein Feuerkopf, ein Sturkopf, gewesen, "Er hat die Wahrheit über alles gestellt. Man kann ihn als Märtyrer verklären oder das kritisch als Rechthaberei sehen." Nach der schweren Bombardierung Lübecks 1942 habe Stellbrink in einer furiosen Predigt das Geschehen als Gottesgericht gegen das deutsche Volk bezeichnet. Es folgten die Verhaftung und die Hinrichtung. Die Ehefrau Stellbrinks erhielt die Urne ihres Mannes sowie die Rechnung für die Zeit der Inhaftierung mit der Post. "Er war Vater von drei eigenen Kindern und Pflegekindern", sagt Hans-Jürgen Stellbrink. Er selbst hat vier Kinder im Alter zwischen zwölf und 23 Jahren. "Ich stelle mir häufig die Frage, ob ich damals genauso gehandelt hätte," sagt er.