Stadtreinigung: Vor Recyclinghöfen stapelt sich der Abfall meterhoch. Sonderregelung mit Ver.di ermöglichte den Einsatz. Ärzteorganisation Hartmannbund warnt vor “ausufernder Rattenplage“.

Der Müll stapelt sich meterhoch. Blaue Säcke, Matratzen und sogar Kühlschränke bilden einen gigantischen Berg aus Unrat, direkt vor dem Eingang zum Recyclinghof am Bahrenfelder Celsiusweg 7. Kein Einzelfall: Weil immer mehr Hamburger nicht wissen, wo sie ihren Abfall oder Sperrmüll lassen sollen, fahren sie zu einem der 15 Recyclinghöfe der Stadt - und laden ihren Müll vor den Toren ab. Die Berge wachsen täglich, auch die Bürgersteige sind zum Teil nicht mehr begehbar. Stadtreinigung und Streikleitung haben das Problem erkannt - und einen Notfallplan beschlossen.

Nach drei Tagen, an denen in der Stadt kaum ein Müllsack abgeholt wurde, wunderten sich die Bahrenfelder, als gestern um 11 Uhr morgens am Celsiusweg plötzlich drei Männer in orangefarbener Arbeitskleidung vorfuhren, um den 20 Kubikmeter großen Stapel in ihren Müllwagen zu verfrachten und wegzufahren. Über zwei Stunden dauerte es, bis Auffahrt und Bürgersteig endlich vom Unrat befreit waren.

Als Streikbrecher sehen sich die Mitarbeiter aber nicht. "Wir unterstützten unsere Kollegen. Nur wenn die Müllberge zu hoch wachsen und die öffentliche Sicherheit bedrohen, dann schreiten wir ein", sagt Müllmann Karlheinz Riemann. Stadtreinigungs-Sprecher Reinhard Fiedler erklärt: "Grundlage dafür ist eine Notstandsvereinbarung mit Ver.di. Doch Streikleiter Rainer Hahn und die Kollegen vom Personalrat müssen ihr Okay geben." Da die Situation vor den Recyclinghöfen besonders dramatisch sei, fahre ein Team der Stadtreinigung nun regelmäßig Kontrolle, um die Eingänge zu überwachen. Fiedler warnt aber vor Nachahmungstaten: "Das Abladen des Mülls ist eine Ordnungswidrigkeit und wird polizeilich verfolgt." Wer sich erwischen läßt, muß der Stadtreinigung 39,10 Euro "Bearbeitungsgebühr" für jeden dagelassenen Kubikmeter Müll zahlen. Handele es sich um giftigen Abfall, könnte auch "Strafgeld in Höhe von mehreren hundert Euro fällig werden". Entscheidendes Kriterium für einen Noteinsatz der Müllabfuhr seien Sicherheitsbedenken der Polizei. Etwa, weil der Müll auf die Straße fällt. Sechs Wagen stünden künftig für solche Fälle bereit.

Doch ob das reicht? Weil immer mehr Hamburger ihren Müll nicht nur vor die Eingänge der Recyclinghöfe fahren, sondern auch in Parks und auf Plätzen entsorgen, sieht Klaus Wagner, Hamburger Landesvorsitzender der Ärzteorgansiation Hartmannbund, eine "wachsende Gefahr der Verbreitung krankheitsauslösender Bakterien und Viren, vor allem durch Ratten". Wagner befürchtet wegen der steigenden Außentemperaturen eine "ausufernde Rattenplage", wenn der wild gelagerte Müll nicht weggeschafft oder der Streik beendet wird.

Sorina Weiland vom Bezirksamt Mitte erklärte, daß die Kollegen der Tiefbauabteilung die Aufgabe hätten, gesundheitsgefährdende Müllsäcke auf öffentlichem Grund aufzuspüren. Bestehe Gefahr für Menschen, würden gegebenenfalls auch private Dienste mit der Entsorgung beauftragt, sollte der Notdienst der Müllabfuhr nicht greifbar sein. Das Problem: Auch Tiefbauabteilungen werden bestreikt - wie gestern in Bergedorf. Die Hamburger sollten deshalb Essensreste möglichst luftdicht verschließen, um die Schädlinge gar nicht erst anzulocken, rät Janne Klöpper, Sprecherin des Instituts für Hygiene und Umwelt, dessen Mitarbeiter im Notfall vor Ort Gift auslegen. "Dabei handelt es sich um Köder, an denen die Tiere verenden. Vorher muß der Müll aber weggeschafft werden, sonst beißen die Ratten nicht an." Bürger hätten die Möglichkeit, problematische Fälle zu melden (Telefon 42 84 57 972). Ausgerechnet morgen wird jedoch auch das Institut für Hygiene bestreikt. Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose sagte aber, die Arbeit der Abteilung "Tierseuchenbekämpfung" sei davon nicht betroffen. Notwendige Untersuchungen - auch wegen der Vogelgrippe - könnten gemacht werden.