Afghanen: Die SPD-Abgeordnete Aydan Özoguz wünscht sich klarere Regelungen.

ABENDBLATT: Die jüngste Innenministerkonferenz hat sich hinter Hamburgs Innensenator Udo Nagel gestellt und plädiert für eine schnellstmögliche Rückführung der afghanischen Flüchtlinge. Hat Nagel also alles richtig gemacht?

AYDAN ÖZOGUZ: Allein die Pannenserie bei den ersten Abschiebungen zeigt, daß er viel falsch gemacht hat. Nagels Ausländerbehörde ist nicht mal in der Lage, die selbstbestimmten Kriterien richtig anzuwenden. Mehrfach sollten Afghanen abgeschoben werden, obwohl sie länger als sechs Jahre in Deutschland sind. Da ist viel Vertrauen verlorengegangen. Nagel ist hier dilettantisch und sorglos vorgegangen.

ABENDBLATT: Sollen die Afghanen überhaupt abgeschoben werden?

ÖZOGUZ: Wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben, grundsätzlich ja. Aber auch dann müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Das gemeinsame Vorgehen aller Bundesländer ist jetzt erfüllt. Ein Abkommen mit Afghanistan gibt es aber immer noch nicht. Entscheidend ist die Frage, wer zurück muß. Geplant ist die Abschiebung von alleinstehenden Männern zwischen 18 und 60 Jahren. Ist aber ein 18jähriger, der hier mit seinen Eltern lebt, alleinstehend? Die Beschränkungen gelten ja nur vorerst. Später sollen auch andere zurück.

ABENDBLATT: Wer soll denn bleiben dürfen?

ÖZOGUZ: Ich wünsche mir klare Regelungen, in denen berücksichtigt wird, inwieweit sich die Flüchtlinge hier integriert haben. Unter den Afghanen sind zum Beispiel viele Hochgebildete, die längst eine Arbeit haben und den Sozialstaat nicht belasten.

ABENDBLATT: Die Qualifizierten dürfen bleiben, die anderen müssen raus?

ÖZOGUZ: Dies sollte ein Kriterium sein, weil wir Qualifizierte tatsächlich brauchen. Weitere sind: Integrationsgrad, Selbständigkeit, Situation der Kinder. Und wir müssen immer flexibel sein. Im Fall Afghanistan gilt dies für Frauen, denen von den Taliban sämtliche Rechte genommen wurden. Für Frauen gibt es auch heute quasi keine Infrastruktur. Wichtig ist, daß wir den Flüchtlingen jetzt deutlich sagen, welche Perspektive sie haben.

ABENDBLATT: Womit wir bei der Integration wären. Wie soll das gehen, wenn es selbst bei hier geborenen Migranten in zweiter Generation noch große Probleme gibt?

ÖZOGUZ: Beide Seiten müssen dafür etwas tun. Ich bin in Deutschland geboren, wurde aber immer als Ausländerin behandelt. Ich mußte mit 16 zum Amt, um mir eine Arbeitsgenehmigung ausstellen zu lassen. Das prägt. Meine Cousins dagegen, die in den USA leben, fühlen sich selbstverständlich als Amerikaner und werden auch als solche gesehen. Die Stadt muß Integrationsangebote machen, die Migrantenfamilien wiederum müssen in die Pflicht genommen werden. In Altona oder Ottensen klappt das gut, auf der Veddel oder in Billstedt sieht das etwas anders aus.

ABENDBLATT: Wie kann denn Gettoisierung verhindert werden?

ÖZOGUZ: Die Stadt muß aufpassen, etwa über soziale Infrastruktur, daß Quartiere nicht zu unattraktiv werden und die Bevölkerung auch ihre jeweiligen Rückzugsräume behält. Ich halte nichts davon, wenn deutsche Rentner gezwungen werden, in ihre Treffpunkte türkische Senioren einzuladen. Nur wer sich wohl und sicher fühlt, ist bereit, auf andere zuzugehen. Und wenn es keine guten Schulen oder Kitas gibt, dann werden die sozialen Aufsteiger wegziehen. Das Problem wird dann nur noch größer. Interview: SVEN KUMMEREINCKE