Uni: Dem russischen Staatspräsidenten soll Doktorwürde verliehen werden. Kritik an “Staatsdirigismus“. CDU verteidigt Plan
Es soll wohl ein Geschäft auf Gegenseitigkeit sein: Im April 2003 bekam Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Ehrendoktorwürde der Universität Sankt Petersburg verliehen - im Beisein des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Im kommenden September soll Putin die Ehrendoktorwürde der Uni Hamburg erhalten. Wie weit dieser Plan auf das Berliner Kanzleramt zurückgeht und was sich Uni-Präsident Jürgen Lüthje davon verspricht, ist nicht ganz klar. Klar aber ist: Es gibt immer lautere Proteste gegen das Vorhaben - nicht nur an der Uni selbst, sondern auch in der Hamburger Politik.
SPD-Parteivize Jutta Blankau nannte die Entscheidung gestern "verrückt". Die Überwindung des Ost-West-Gegensatzes sei nicht Putins Verdienst gewesen, sondern Gorbatschows. Und in der Wirtschaft seien unter Putin "alte Kader und Oligarchen" gestärkt worden und nicht die Marktwirtschaft. GAL-Wissenschaftsexpertin Heike Opitz sagte: "Der autokratische Umgang mit politisch Andersdenkenden, die Behinderung der Opposition und der gnadenlos geführte Krieg in Tschetschenien stehen der Verleihung dieser hohen Würde entgegen." GAL-Vize Jens Kerstan fordert die Uni nun auf, über eine Absage der Ehrung nachzudenken.
CDU-Fraktionschef Bernd Reinert dagegen verteidigt die Pläne. "Das ist eine autonome Entscheidung der Universität." Da Putin den Titel für die Einführung der Marktwirtschaft in Sankt Petersburg erhalten solle, sei die Ehrung "voll und ganz gerechtfertigt". Bevor man lautstark Kritik übe, müsse man mögliche Folgen bedenken, so Reinert. "Das tun SPD und GAL aber offensichtlich nicht genug." CDU-Fraktionsvize Marcus Weinberg äußerte Verständnis für die Kritik. "Es ist richtig, so eine Ehrung zu hinterfragen." Insgesamt aber sei die Verleihung vertretbar.
Ähnlich äußerte sich FDP-Chef Leif Schrader: Putin habe viel für die Überwindung des Ost-West-Konflikts und die Städtepartnerschaft mit Sankt Petersburg getan, daher sei eine Ehrung "nachvollziehbar". Das hindere die FDP nicht, von Putin Pressefreiheit in Russland und eine friedliche Lösung des Tschetschenien-Konflikts zu fordern.
An der Uni haben sich unterdessen mehr als 30 Professoren einer vom Politikwissenschaftler Michael Th. Greven initiierten Resolution gegen die Putin-Ehrung angeschlossen. Es bestehe "kein Anlass" für die Ehrung, da Putin den "Maßstäben nicht genügt". In Russland würde gezielt aus dem Präsidentenbüro heraus eine "unabhängige Medienlandschaft unterdrückt", die Justiz würde für die Verfolgung Oppositioneller missbraucht. Es sei "besonders makaber", dass Putin die Doktorwürde im Rahmen eines "deutsch-russischen zivilgesellschaftlichen Dialogs" erhalten solle. Dass Putin die Ehrung vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften für angebliche Verdienste um die Marktwirtschaft verliehen bekommen soll, kann Greven nicht nachvollziehen. Seine Politik zeige schließlich immer stärker staatsdirigistische Züge. Im Übrigen seien in Russland mittlerweile 30 Prozent der Menschen verarmt. Das sei keine herausragende Bilanz.
Uni-Vizepräsident Karl-Werner Hansmann verteidigte die Pläne. Zwar gebe es möglicherweise autoritäre Strukturen in Russland. Es könne aber niemand erwarten, dass das Land sich in wenigen Jahren zum demokratischen Musterland verwandle. "Indem wir unsere Kontakte nach Russland ausbauen, können wir ja gerade positiven Einfluss ausüben", so Hansmann. "Und nehmen Sie mal Hamburgs Kontakte nach China. Wenn wir immer allein moralische Aspekte in den Vordergrund rücken würden, könnten wir ja bald gar nichts mehr machen."