Interessenvertreter und Verbände haben am Montag beim runden Tisch eine letzte Chance, die Forderungen der Behörde zu erfüllen.

Die sanfte Brise vom nahen Hafen, glitzernde Lichter, Menschen in dichten Trauben vor leuchtenden Eingängen. Zwei Dutzend Kneipen, ein Gewirr von tausend Stimmen, Musik - und die Bierknolle in der Hand - diese Kneipenwirklichkeit liegt am Hans-Albers-Platz draußen auf dem Pflaster. Ein Kult, der St. Pauli zur Kneipenmeile macht. In Sommernächten für Zehntausende. Auf der Reeperbahn. Am Hans-Albers-Platz. Am Hamburger Berg. Überall auf dem Kiez. Damit wird wohl bald Schluss sein.

Mit einem rigorosen - und bundesweit einmaligen - Gesetz plant nach Abendblatt-Informationen die Hamburger Innenbehörde, die Glasflaschen aus Sicherheitsgründen vom Kiez außerhalb der Kneipen total zu verbannen. Ob Bier, Wodka, Orangensaft, Alcopops, Sekt oder Selters - im Papp- oder Plastikbecher oder im Tetrapack ist alles erlaubt. In Glasflaschen jedoch nicht.

Die Polizisten oder die Mitarbeiter des Bezirklichen Ordnungsdienstes (BOD) bitten dann zur Altglastonne. Oder drohen mit 5000 Euro Geldbuße.

Die letzte Chance, das zu verhindern, gibt es am Montag. Dann treffen sich Vertreter der Verbände und Interessengruppen wie Dehoga, Einzelhandelsverband, Brauereien, Interessengemeinschaft St. Pauli mit der Innenbehörde und dem Bezirk Mitte. Sie müssen überzeugende Vorschläge jenseits von rechtlichen Regelungen vorlegen, sonst will Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) die Schublade aufmachen und fertige Gesetzentwürfe (die noch durch den Senat müssen) rausholen. Erstens: Der Verkauf von Glasflaschen wird an Wochenenden verboten. Zweitens: Glasflaschen (Inhalt egal) dürfen innerhalb der Waffenverbotszone nicht "mitgeführt" - also in der Hand gehalten - werden.

Hintergrund: Die Zahl der Körperverletzungen mit Glasflaschen ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. 2008 waren es 157 Glas-Attacken. Deshalb wurde der "freiwillige Glasflaschenverkaufsverzicht" durchgesetzt. Doch der funktioniert genauso wenig wie andere Forderungen des Innensenators, zum Beispiel: den Alkohol "außer Haus" in Plastikflaschen (PET) zu verkaufen oder das Bier in Plastikbecher umzufüllen oder die berühmte Astra-Knolle als PET zu produzieren. Nach Gastro-Informationen gibt es keine PET-Knolle, weil die Produktionskosten für Brauereien zu hoch liegen.

Schon einmal hatte die Innenbehörde die Interessenvertreter um Nachbesserung gebeten. Die Frist ist jetzt um. Ahlhaus zum Abendblatt: "Am Montag nach den Ergebnissen des nächsten runden Tisches werden wir entscheiden, ob es zu weiteren Maßnahmen kommt."

Ein Alkoholverbot ist das jedoch nicht. "Wir wollen St. Pauli nicht trockenlegen. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass sie sich auch in Zukunft noch auf dem Kiez vergnügen können", sagt Ahlhaus.

Das Glasflaschenverbot ist für den Innensenator ein wichtiges Element im Sicherheitskonzept auf St. Pauli. "Unsere Maßnahmen gegen Gewalt auf dem Kiez zeigen erste Erfolge. Vor allem die dichte Polizeipräsenz, das Waffentrageverbot, die regelmäßigen Großkontrollen und die Videoüberwachung, aber auch der freiwillige Glasflaschenverzicht einiger Gastronomen bringen ein Sicherheitsgewinn für die vielen Menschen auf der Reeperbahn", sagt Ahlhaus. "Einige" Gastronomen sind für den Senator jedoch nicht genug.

In der Schublade liegen die fertigen Texte der Gesetzesplanungen. Das Verbot "Glasflaschen mit sich zu führen" gilt danach jeweils von 22 bis sechs Uhr on Freitagabend bis Montagmorgen sowie in den Nächten vor und nach Feiertagen. Ausgenommen sind Anwohner, Lieferanten, Durchgangsverkehr. Wer also Glasflaschen so verpackt transportiert, dass sie "nicht dem direkten Zugriff unterliegen", bleibt unbehelligt.

Auf der Meile ernten die Gesetzes-panungen Unverständnis. "Das ist überhaupt nicht praktikabel", sagt Falko Fugel, Geschäftsführer der Kneipe Frieda B am Hans-Albers-Platz. "Ich kann da für alle 20 Kneipen sprechen: Die Glasflasche draußen gehört zum Charakter des Platzes. Das ist im Sommer normal. Es sind einfach zu viele Gäste. Bier für alle zu zapfen ist da unmöglich."