Entsteht an der Stelle ein bayerisches Brauhaus? Die Eigentümer-Familie bestätigt Verhandlungen über die Veräußerung des Areals an der Reeperbahn.

Der Kiez wird Trauer tragen, wenn Deutschlands bekannteste Tankstelle am Spielbudenplatz auf St. Pauli schließen muss. Die "Esso-Tanke". 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr der "Dorfplatz" für St. Pauli. Der kultige Nacht-Treffpunkt für das jugendliche Szenevolk, die einzigartige Waschstraße, wo die St.-Pauli-"Jungs" so gern ihre aufgebrezelten Autos vorfahren oder der 24-Stunden-Shop für alle, die mal ganz schnell was zur Verpflegung brauchen - all das kann schon bald der Vergangenheit angehören. Denn der Eigentümer der "Kult-Tanke", Jürgen Schütze (72), möchte verkaufen. Ihm gehört nicht nur die Tankstelle, sondern auch fast der ganze Block bis zum Panoptikum. Ein Millionengeschäft - an dem offensichtlich die bayerische Paulaner-Brauerei dran ist, die sich gegenüber dem Abendblatt nicht äußern wollte. Familie Schütze dementiert allerdings nicht. Jürgen Schütze sagt: "Es gibt Gespräche, die aber noch nicht perfekt sind."

Video: Esso-Tankstelle auf dem Kiez vor der Schließung?

Hier geht’s zum Videoportal

Brachen-Insider wollen schon von großartigen Paulaner-Plänen gehört haben, wonach die Bayern auf dem Gelände der Kult-Tanke ein Brauhaus und in der Nachbarschaft ein Hotel geplant hätten. Dann würde bayerisches Bier mit einem Hamburger Bier in der Nachbarschaft konkurrieren, denn Steakhaus-König Eugen Block plant an den Landungsbrücken ebenfalls ein Brauhaus innerhalb einer Gaststätte ("Block-Bräu").

Lars Schütze (40) sagt: "So weit sind die Überlegungen nicht. Wir verhandeln noch mit der Firma Esso. Es kann auch sein, dass bei einem Verkauf eine Tankstelle weiter betrieben wird." Allerdings würden dabei viele Überlegungen eine Rolle spielen. "Was ist zum Beispiel, wenn ein Akoholverkaufsverbot auf St. Pauli kommt?", fragt Lars Schütze. Alle Menschen würden immer glauben, die Tankstelle mit Shop und Waschstraße sei eine Goldgrube. "Das ist jedoch ganz anders", meint Lars Schütze, der dort 40 Angestellte beschäftigt.

In der Tat ist der Service am Spielbudenplatz einzigartig. Das beginnt auf dem Vorplatz zur Waschanlage, wo für die Kunden kostenlos mehrere Staubsauger zur Verfügung stehen. Und wo nicht nur gesaugt, sondern gern auch geschnackt wird. Es geht weiter in der Waschstraße, wo fleißige Hände - zwei Kräfte für das Wageninnere, zwei für außen - das Auto vorwaschen oder auch gesondert behandeln, bis es dann noch durch die eigentliche Waschstraße über ein Fließband gefahren wird.

Der Pachtvertrag mit Esso kann Ende des Jahres gekündigt werden. Bis dahin wird nach Einschätzung von Lars Schütze auch eine Entscheidung gefallen sein. Leicht machen es sich Vater und Sohn nicht. "Wir hängen doch sehr an der Tankstelle", sagt Jürgen Schütze. "Wichtig ist erst mal die Botschaft, dass wir noch weiter geöffnet haben", sagt sein Sohn. Auch deshalb hatten die Schützes im November vergangenen Jahres ihr 45-jähriges Waschstraßen-Jubiläum so groß gefeiert. Der Musiker Lutz Wollersen hat sogar einen Song ("Hier tanzt der Tiger, hier steppt der Bär") für die Kult-Tanke geschrieben.

"Wohnungen abschirmen" Markus Schreiber , Leiter des Bezirksamtes Mitte, sagt: "Die Tankstelle hat wirklich etwas Herzerfrischendes auf St. Pauli. Wenn das Gelände tatsächlich neu bebaut wird, sollte ein Gebäude-Riegel die hinten liegenden Wohnungen vom Spielbudenplatz abschirmen. Die jetzige Wohnbebauung stammt aus den 60er-Jahren und ist nicht sonderlich attraktiv."

"Es wäre sehr schade!" Zoe (23):. "Ich habe unregelmäßige Arbeitszeiten, oftmals sind die Supermärkte schon geschlossen, wenn ich Zeit zum Einkaufen habe. Da ist die Tankstelle wirklich sehr praktisch und es gibt eine gute Auswahl. Außerdem wohne ich direkt um die Ecke und brauche nur einige wenige Minuten hierher."

"Dort gibt's Hilfe in allen Lebenslagen" Jochen Bohnsack , Manager des Spielbudenplatzes, sagt: "Wenn die Tanke schließen sollte, geht uns ein wichtiger Dorfplatz verloren. Dort kann man nicht nur einkaufen, man trifft auch Bekannte und kann Hilfe in allen Lebenslagen erwarten. Wenn es die Esso-Tankstelle nicht mehr geben sollte, wäre das dramatisch."

"Die Tankstelle ist wie eine Insel" Jasmin Aselmann (23), Kellnerin im Schmidts Tivoli, kommt jeden Tag in die bekannte Esso-Tankstelle. "In meiner Pause kaufe ich mir hier etwas zu essen. Nach langen Schichten ist die Tankstelle mit den freundlichen Angestellten für mich wie eine Insel. Das wäre wirklich schade. Wohin dann?"

"So etwas wie die Seele von St. Pauli" Fred Hesse (63), Inhaber der Condomerie Hamburg, Spielbudenplatz 18: "Das wäre sehr schade, schließlich ist die Tankstelle so etwas wie die Seele von St. Pauli. Das sind ganz tolle Menschen, die Inhaber. Wir kennen und helfen einander seit 21 Jahren. Täglich hole ich mir Zeitung und Essen drüben.