Einzelhandel: Der Leerstand von Geschäften in Hamburg ist der höchste seit zehn Jahren.
"Wir räumen! Bis 40 Prozent Rabatt", steht im Schaufenster von Broder Brodersens Kaminofen-Geschäft an der Wandsbeker Chaussee 279. Bis zum 31. Mai ist der Laden noch geöffnet, dann ist Schluss für Filialleiter Jens-Günther Hagelstein (43). An der Wandsbeker Chaussee haben in einem Jahr rund 30 Einzelhändler aufgegeben. Die Geschäfte stehen noch immer leer, sind zu vermieten - wie überall in der Stadt. "So hoch wie in diesem Jahr war der Leerstand an Geschäften in Hamburg in den letzten zehn Jahren nicht", sagt Ulf Kalkmann (53), Chef des Einzelhandelsverbandes. Hoheluftchaussee, Winterhuder Marktplatz, Barmbeker Straße. Sogar eins a Lagen in der City, wie am Neuen Wall, stehen leer. "Das Angebot an exklusiven Ladenflächen in der Innenstadt war noch nie so groß", sagt Sven Bechert (36), Prokurist bei Grossmann & Berger. Die Gründe: "Es gibt keine Nachfolger, die Mieten sind zu hoch, der Umsatz geht auf Grund der wirtschaftlichen Lage zurück", so Kalkmann. Seit zehn Jahren gibt es den Kaminofenladen in der Wandsbeker Chaussee schon. Doch zuletzt stimmten die Zahlen einfach nicht mehr - bis zu 40 Prozent Umsatzrückgang. "Die jungen Familien, die für uns interessant sind, bleiben nicht hier. Die ziehen an den Stadtrand", sagt Filialleiter Hagelstein. Außerdem: "Es gibt kaum Parkplätze, die wenigen sind von den Bewohnern des Viertels belegt. Wir suchen jetzt einen neuen Standort." Ähnlich düster sieht es auch ein paar Meter weiter im Bettenhaus Eilbek aus. "Ende September ist wahrscheinlich Schluss, weil wir kaum Geld verdienen", sagt Inhaber Harry Piililä (43). Nach 45 Jahren. "Der Branchenmix stimmt nicht. Wenn ein Mieter rausgeht, kommt irgendein Ramschladen rein. Oder die Vermieter kümmern sich gar nicht um ihre Objekte und lassen sie verwahrlosen", sagt Piililä. Wie das Gebäude gegenüber. Graffiti-Sprühereien an den Wänden. Die Schaufenster sind verdreckt. Seit letztem Dezember ist der Spar-Markt weg, einen Nachmieter gibt es offenbar nicht. "Steht ein Geschäft für längere Zeit leer, kommt es zur Kettenreaktion, und andere folgen", so Kalkmann. Und: "Wenn es dann noch zu wilden Plakatierungen kommt und sich die Vermieter nicht um die Räume kümmern, verlieren die Viertel natürlich an Attraktivität." Nicht das einzige Problem. Apotheker Kai-Peter Siemsen (41) aus Wandsbek: "Uns stirbt die Kundschaft regelrecht weg. Die Jüngeren gehen ins Wandsbek Carree oder in die Hamburger Straße zum Einkaufen." Siemsen und weitere Geschäftsleute in der Wandsbeker Chaussee wollen jetzt einen Verein gründen, um die Einkaufszeile attraktiver zu gestalten. Gespräche mit dem Bezirk und der Handelskammer laufen. Um mehr Kunden zu erreichen, will der Verein Aktionen starten: "Ein Straßenfest wäre denkbar. Auch ein Wochenmarkt in der Ritterstraße würde die Ecke beleben. Wir wollen Blumenkübel aufstellen, Wimpel von der Häuserfront zu den Straßenlampen aufhängen", so Siemsen. Er hofft, dass das Bezirksamt die Händler unterstützt. "Das Problem ist, dass man für alles Genehmigungen braucht, und das kann dauern." In der City sieht es nicht anders aus. Auch das Bekleidungsgeschäft Mr. Oliver an der Bleichenbrücke muss schließen. Der Mietvertrag läuft am 30. Juni aus. "Gern wäre ich noch geblieben, aber das Haus soll renoviert werden. Und woanders aufzumachen, lohnt sich für mich nicht. Ich bin zu alt, und das finanzielle Risiko ist zu hoch", sagt Inhaber Dieter Krey (62). Im vergangenen Jahr hatte er eine Mieterhöhung von 50 Prozent. Und: Die Umsätze sind um 30 bis 40 Prozent gesunken. Jörg Schröder (63), Inhaber des Geschäfts Bäder Schröder in der Grindelallee gibt ebenfalls auf. Am nächsten Donnerstag ist Schluss, nach 33 Jahren. Schröder: "Die schlechte wirtschaftliche Lage hat mich dazu gebracht." (gen, diz, hpkp)