Notfalls Citymaut und Umweltzonen: BUND fordert Einhaltung der Schadstoff-Grenzwerte. Die Naturschützer bereiten eine Volkspetition vor.
Hamburg. Hamburgs Naturschützer gehen in die Offensive. Mit einer Volkspetition will der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) die Bürgerschaft zwingen, sich mit der Belastung der Hamburger Luft mit Stickstoffdioxid und Feinstaub auseinanderzusetzen. Die Kernforderung: Der Senat soll dafür sorgen, dass die Schadstoff-Grenzwerte bis 2013 eingehalten werden - notfalls auch über die Einführung einer Citymaut oder die Einrichtung von Umweltzonen . 10.000 Unterschriften sind für eine solche Initiative nötig.
Zugleich drohte die Umweltschutzorganisation der Stadt rechtliche Schritte an. Mitte Juli werde die EU-Kommission über den Antrag Hamburgs entscheiden, die Frist für die Einhaltung der Schadstoff-Grenzwerte zu verlängern. Man werde "die Entscheidung aus Brüssel sorgsam auswerten und dann über eine Klage gegen die Stadt Hamburg entscheiden", so der BUND. Eine vergleichbare Klage hatte im vergangenen Jahr in Wiesbaden dafür gesorgt, dass die Stadt nun eine Umweltzone einführt.
+++ City-Maut laut Gutachten gut für "Umweltqualität" +++
+++ Das Auto von Olaf Scholz pestet am wenigsten +++
Nach BUND-Schätzungen leben noch immer 220.000 Hamburger in Stadtteilen, in denen die gesetzlichen Grenzwerte für Stickstoffdioxid (40 Mikrogramm pro Kubikmeter) deutlich überschritten werden. Die bisherige Politik des Senats sei "gesundheitsgefährdend" und "konzeptlos", kritisierten die Umweltschützer, die gestern die Kampagne "Hamburg atmet auf" für eine bessere Luftqualität in der Stadt gestartet haben. Während viele deutsche Großstädte die Situation durch Einrichten von Umweltzonen entschärften und andernorts in Europa gute Erfahrungen mit einer Citymaut gemacht worden seien, habe der SPD-Senat diese kurzfristig wirksamen Maßnahmen ohne nähere Prüfung gekippt. Laut Luftreinhalteplan gehe die Umweltbehörde davon aus, die Grenzwerte bis 2015 nicht einhalten zu können, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. "Das gleicht einer Bankrotterklärung."
Auch die Landstromversorgung von Fracht- und Passagierschiffen werde nur schleppend verfolgt. "Dabei ist die Kombination dieser Instrumente sinnvoll, wie Gutachten belegen." Immerhin stammen fast 75 Prozent der Luftbelastungen von Autos oder Schiffen.
In der Umweltbehörde verweist Sprecherin Kerstin Graupner auf 30 Maßnahmen in der Fortschreibung des Luftreinhalteplans. "Citymaut und Umweltzone sind nicht dabei, aber das Busbeschleunigungsprogramm und der Appell, den öffentlichen Nahverkehr zu benutzen." Im Übrigen hätten 120 deutsche Städte wie Hamburg eine Fristverlängerung bei der EU-Kommission beantragt. Die Stadt stehe also nicht allein vor dem Problem der schlechten Luft.
Zu wenig Gestaltungsmut wirft Till Steffen, verkehrspolitischer Sprecher der Hamburger Grünen, dem Senat vor: "Citymaut, Umweltzone, eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung, die Stadtbahn, der Landstrom für Schiffe oder eine Förderung des Radverkehrs gehören zu Maßnahmen, die effektvoll sind. Doch dem Senat fehlt es an Willen, das durchzusetzen."
Birgit Stöver, umweltpolitische Sprecherin der CDU, befürwortet die Kampagne ebenfalls, allerdings nicht die Volkspetition. "EU-Gesetzgebung und unsere Oppositionsarbeit erzeugen genug Druck", sagt sie. Ihre Fraktion lehne Citymaut und Umweltzone weiterhin ab. "Aufwand und Nutzen sind zu gering", sagt Stöver.