Die Stadt versuchte, ein Bauvorhaben für 235 neue Wohnungen am Hemmingstedter Weg durchzusetzen. Aber der Bezirk setzte sich durch.
Osdorf. Die E-Mail mit dem brisanten Inhalt kam Anfang der Woche. Der Altonaer Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose informierte die Fraktionen über die Pläne des Senats, die Zuständigkeit für ein Wohnungsbauvorhaben am Hemmingstedter Weg in Osdorf an sich zu ziehen. In der Anlage verschickte der Behördenchef den Entwurf einer Drucksache für die Sitzung der Senatskommission für Wohnungsbau am 7. Juni mit der Bitte um Stellungnahme. Und er machte gleich klar, was er von dem Vorstoß hielt: nichts.
Auch die Bezirkspolitiker schalteten sofort auf Widerstand. Vor allem die Opposition schäumte. "Der Senat betrügt seine Mitspieler. Das ist kein demokratischer Prozess und schon gar kein ordentliches Regieren", sagte der Fraktionsvize der CDU, Sven Hielscher. Aber auch in der SPD sorgte der Durchgriff der Stadt für Aufregung. "Es gibt gar keinen Anlass, dass die Fachbehörden das Projekt an sich ziehen", sagte Thomas Adrian, SPD-Fraktionsvorsitzender, dem Abendblatt.
Natürlich habe der Senat das Recht zu evozieren, wie es im Behördendeutsch heißt, wenn es um übergeordnete Ziele geht. "Aber die Bezirksversammlung hat sich inhaltlich noch gar nicht mit dem Thema befasst", so Thomas Adrian. Das hätten nach einigen Telefonaten auch die zuständigen Stellen eingesehen. Die Folge: "Das Papier ist vom Tisch."
Schon seit Monaten sorgt das Projekt unter dem Namen "Wohnen am Ziegeleiteich" für Verstimmung zwischen Senatsbehörden und Bezirk. Vis-à-vis des Botanischen Gartens will die Stadt am Rande einer großen Sportanlage am Hemmingstedter Weg mindestens 235 Wohnungen bauen. Wie konkret die Pläne sind, geht aus der Vorlage für die Senatskommission hervor, die dem Abendblatt vorliegt. Darin bittet der zuständige Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) mit dem Ideengeberwettbewerb Wohnungsbau um Zustimmung für "die Einleitung eines Vorhaben bezogenen Bebauungsplanverfahrens durch die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt auf Basis des vorliegenden Konzepts". Andernfalls, so die Befürchtung, könne "keine neue Wohnbebauung entstehen". Als Zeitrahmen für die Umsetzung setzt die Stadt "2015/2016" an.
Für den Bezirk kam der Vorstoß überraschend, nachdem der Investor und die Stadtentwicklungsbehörde das Projekt im März nach massiver Kritik zunächst zurückgezogen hatten. Am Hemmingstedter Weg prallen unterschiedliche Interessen aufeinander. Bislang sind auf der städtischen Fläche mit einer Gesamtgröße von etwa 93 000 Quadratmetern eine Sportanlage mit jeweils acht Sport- und Tennisplätzen sowie das Zentrum für Schulbiologie und Umwelterziehung (ZSU). Nach den derzeitigen Plänen will der Investor etwa ein Drittel des Grundstücks bebauen. Dafür müsste das ZSU weichen, außerdem würden zwei Sportplätze wegfallen.
Die fünf ansässigen Sportvereine haben eine positive Empfehlung abgegeben - unter der Bedingung, dass die restliche Anlage im Gegenzug modernisiert und mit Kunstrasenplätzen ausgestattet wird. Auch die Schulbehörde knüpft ihre Zustimmung an Bedingungen. Weil das ZSU, das jährlich 14 000 Schüler, Lehrer und Familien besuchen, als außerschulischer Lernort unverzichtbar sei, müsse ein neuer Standort im Bezirk Altona gefunden werden. Eine Möglichkeit wäre die Förderschule Böttcherkamp samt angrenzendem Biotop. Allerdings ist die Zukunft dieses Standorts noch gar nicht entschieden. Dazu kommen die hohen Kosten. Ein Umzug, so die Schätzung der Behörde, würde etwa fünf Millionen Euro kosten.
Inzwischen ist auch klar, dass die Nachbarn die Baupläne ablehnen. Das gilt für die internationale Schule, die bereits Erweiterungsbedarf angemeldet hat. Vor allem aber für die Anwohner am Hemmingstedter Weg und am Vogt-Groth-Weg. Anfang des Jahres hatte sich eine Bürgerinitiative gegründet, die wortgewaltig auf Sitzungen der Bezirksversammlung aufgetreten war.
Dieses Problem sehen auch die Verantwortlichen bei der Stadt. "Hier wäre bei der Öffentlichkeitsbeteiligung ein hohes Maß an Engagement zur Akzeptanzbildung erforderlich", heißt es.
Das gilt auch für die Bezirkspolitiker. In einer Stellungnahme haben sie den geplanten Durchgriff fraktionsübergreifend abgelehnt. Dabei berufen sie sich auch darauf, dass Altona bis 2015 schon den Bau von 9000 neuen Wohnungen plant - so viele wie kein anderer Bezirk. "Wir setzen die Wohnungsbauziele der Stadt aktiv um. Aber wir erwarten, dass das übliche Verfahren eingehalten wird, und das beginnt im Planungsausschuss", sagte SPD-Mann Adrian. Die Finanzbehörde ruderte am Freitag in Teilen zurück. "Aber von zurückziehen kann keine Rede sein", sagte Sprecher Daniel Strecker. Jetzt müsse man die Abstimmung der Behörden untereinander abwarten.