Schwarz-Gelb muss sich künftig an Energiewende messen lassen.
Der Atomausstieg, auf den sich nun endlich die Bundesregierung geeinigt hat, ist ein Befreiungsschlag für Angela Merkel - und eine Chance für Konservative und Liberale, nach ihrer abrupten Wende in der Energiepolitik verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Als die Bundeskanzlerin nach der Katastrophe von Fukushima ein Atom-Moratorium verhängte, da witterten viele Kernkraftgegner zunächst ein Hinhaltemanöver. Nun aber scheint es so, als sei es Merkel tatsächlich gelungen, die Formation aus CDU, CSU und FDP in kurzer Zeit recht synchron auf einen Anti-Atom-Kurs schwenken zu lassen.
Zugleich konnte Merkel bei der Einigung kleine Stolperfallen ihrer eigenen Leute umgehen: Eine Revisionsklausel, die einen Ausstieg aus dem Ausstieg erneut möglich gemacht hätte, wird es nicht geben. Dass nun eines der älteren Kraftwerke vorübergehend im Stand-by-Modus bleiben und drei Meiler noch ein Jahr länger bis 2022 als Reserve dienen sollen, ist ein akzeptabler Preis dafür, dass nun auch die Liberalen ein Enddatum für einen Atomausstieg mittragen.
Ein Befreiungsschlag ist der Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung auch deshalb, weil seine inhaltliche Richtigkeit vom Abschlussbericht der Ethikkommission bestätigt wird: Nach Fukushima gebe es guten Grund, die Atomkraft neu zu bewerten. Ein nachhaltiger Atomausstieg sei bis etwa 2021 machbar.
Selbst wenn Umweltverbände und Grüne sich einen wesentlich schnelleren Ausstieg wünschen - gemessen an den Empfehlungen der Ethikkommission schneidet die Bundesregierung mit ihrer neuen Energiestrategie bislang überraschend gut ab. Indem sie sich externen Sachverstands bediente, hat sie ihrer künftigen Atompolitik ein neues, glaubwürdigeres ideologisches Fundament verschafft.
Doch nun kommt es nicht mehr auf Experten, sondern auf die Parlamentarier selbst an. Die einst so kernkraftfreundliche Regierungskoalition hat eine zweite Chance bekommen. Jetzt muss sie die Energiewende wirklich mit Leben füllen. Es geht nicht darum, aus der Atomenergie auszusteigen und die entstandene Lücke schnell mit Strom aus Kohle und Gas aufzufüllen. Es geht darum, die Zukunft auf sauberen und sicheren Energien zu bauen. Das ist die neue Mission, von deren Erfolg in den kommenden Jahren die Glaubwürdigkeit von Schwarz-Gelb abhängen wird.