Das Hamburger Bier wird bei Edeka in einigen Regionen nicht mehr angeboten. Verkauf der Brauerei ist laut Senator Horch “vom Tisch“.

Hamburg. Neben nicht enden wollenden Gerüchten über eine Übernahme durch Radeberger droht beim Hamburger Bierkonzern Holsten jetzt auch noch ein Stellenabbau. Schlimmstenfalls könnten 50 der jetzt 200 Arbeitsplätze in der Brauerei wegfallen. Inklusive der Verwaltung beschäftigt das Unternehmen derzeit 400 Mitarbeiter in der Stadt. Grund für einen befürchteten Abbau sind Umsatzverluste, weil Holsten sein Bier künftig günstiger an eine Handelskette abgeben muss.

Konkret geht es um die Vergütungen von Edeka. Deutschlands größter Lebensmittelkonzern, zu dem auch die Läden von Netto und Globus gehören, hat in diesem Frühjahr die Einkaufskonditionen seiner Beteiligungen verglichen und festgestellt, dass jede Konzerngesellschaft seine Lieferanten unterschiedlich bezahlt. Daraufhin habe das Unternehmen seine Einkaufspreise neu berechnet - und gleichzeitig zulasten der Hersteller gesenkt. Neben Holsten sollen laut Franz-Josef Möllenberg, Vorstandsvorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), offenbar auch Paulaner, Kraft Foods und weitere Nahrungsmittelhersteller betroffen sein.

Für Holsten bedeutet der Einnahmeverlust, dass sich Lieferungen an Edeka, Netto oder Globus in von Hamburg weit entfernte Regionen aus Kostengründen nicht mehr lohnen. Deshalb sind die meisten Biersorten der Brauerei jetzt bei Edeka Minden, Netto und Globus in Nordrhein-Westfalen und Südbayern ausgelistet. Die Folgen für den Brauereistandort in Hamburg sind gravierend. Wenn weniger Bier verkauft werden kann, muss auch die Produktion gedrosselt werden, was jeden vierten Job direkt in der Brauerei kosten könnte. Holsten kann dies zwar derzeit noch aufschieben, weil das Unternehmen die Auftragsdelle noch mit Brauaufträgen von der Muttergesellschaft Carlsberg ausgleichen kann. Doch auf die Dauer werde dies nicht gelingen, fürchtet die Konzernbetriebsratsvorsitzende Cornelia Felten. "Ich bin schockiert, dass ein Hamburger Unternehmen ein anderes Unternehmen in der Stadt bei der Vergütung so drückt, dass Jobs in Gefahr kommen."

Edeka weist die Anschuldigungen, für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich zu sein, zurück. "In den jährlichen Gesprächen zwischen Industrie und Handel bietet der Handel insbesondere vertriebliche Leistungen in Verbindung mit einem entsprechenden Gesamtkonzept an. Im Falle angemessener Gegenleistungen durch die Industrie werden vertriebliche Leistungen wie Sortimentsvereinbarungen, Werbeaktivitäten oder Konditionen vereinbart", so das Unternehmen in einer schriftlichen Stellungnahme. Auch mit der Carlsberg-Brauerei habe ein großer Teil des Edeka-Verbundes ohne jede Streitigkeit bereits vor langer Zeit "Einvernehmen über die Bewertung unserer Leistungen erzielt. Regional bestehen aber noch Themen ohne eine Einigung", so der Konzern.

Gewerkschafter Möllenberg ist der Umgang der Handelsriesen mit ihren Lieferanten schon lange ein Dorn im Auge. "In Deutschland haben mit Edeka, Aldi, Lidl, Metro und Rewe nur fünf Handelsketten mehr als 90 Prozent Marktanteil im Lebensmitteleinzelhandel. Leidtragende dieser Marktmacht sind die Hersteller", sagte er dem Abendblatt. "Wir brauchen eine neue Kartellgesetzgebung und eine Ombudsperson, also einen Schlichter, der bei Vertragsstreitigkeiten zwischen Handel und Hersteller vermittelt. Bei der Ombudsstelle sollen Zulieferer unfaire Abnahmebedingungen anzeigen können."

Den seit Wochen schwelenden Spekulationen, die Holsten-Mutter Carlsberg wolle die deutsche Brauerei verkaufen, trat gestern Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) entgegen. Der Verkauf sei "vom Tisch", sagte er dem Abendblatt nach einem Gespräch mit dem Holsten-Vorstandsmitglied Wolfgang Burgard. Tatsache ist allerdings, dass Carlsberg-Chef Jørgen Buhl Rasmussen nicht nur wegen des Konflikts mit Edeka wenig Freude an seiner deutschen Beteiligung hat. Der Markt ist rückläufig, der Bierkonsum sinkt dieses Jahr wohl um drei Prozent. Rasmussen stört, dass der Hersteller von Astra, Holsten, Lübzer und Duckstein derzeit nur im Norden und Osten der Republik erfolgreich ist.

Doch das soll sich jetzt ändern. Das Unternehmen sucht Vertriebspartner in Süd- und Westdeutschland. "Wir sind in Gesprächen", sagte Holsten-Chef Frank Maßen dem Abendblatt. Die Partner könnten die Märkte bedienen und auch das Bier, das mit Tankwagen geliefert wird, abfüllen. Damit soll vermieden werden, dass leere oder volle Flaschen quer durch die Republik transportiert werden müssen. Um im stark fragmentierten Markt - in Deutschland gibt es mehr als 1300 Brauereien - weiter zu wachsen, arbeitet das Unternehmen derzeit zudem an einer Verjüngungskur für die Marke Holsten Pilsener. Das Kiez-Bier Astra, dessen Absatz laut Maßen seit drei Jahren wächst, soll genauso weiter zulegen wie die Marke Duckstein, die bislang ihr Verkaufshoch an Festen wie Ostern und Weihnachten hat.

In Zukunft will Holsten auch seine Nähe zum Heimatmarkt Hamburg offensiver betonen. "Wir sind seit mehr als 130 Jahren erfolgreich in der Hansestadt aktiv", sagte Maßen. Um seine Präsenz in der Metropole zu unterstreichen, lädt das Unternehmen an diesem Wochenende zu einem zweitägigen Brauereifest auf seinem Gelände ein.