Jochen Intelmann, 53, ist Chefvolkswirt der Hamburger Sparkasse
1. Deutschland ist Europas Wachstumslokomotive. Was läuft hier besser als in anderen Ländern?
Jochen Intelmann: Deutschland profitiert besonders vom stark wachsenden Welthandel. Die Industrie ist hierzulande sehr gut aufgestellt und kann insbesondere im Export weiter zulegen. Auch die Japan-Krise bringt den globalen Aufschwung, wie zunächst befürchtet wurde, nicht ins Stocken. Zudem brummt der Arbeitsmarkt. Dadurch haben die Menschen höhere Einkommen zur Verfügung, was dem Konsum zugutekommt und die Binnennachfrage erhöht. Der private Verbrauch ist schließlich der größte Faktor des Bruttoinlandsproduktes.
2. Wird der Aufwärtstrend weiterhin anhalten oder droht schon bald ein Einbruch?
Das aktuelle Wachstumstempo werden wir nicht halten können. Zwar wachsen wir weiter, doch die Zuwächse werden deutlich unter der extrem hohen Jahresrate von 5,2 Prozent liegen, die wir zu Jahresbeginn gesehen haben. Einen Einbruch erwarte ich nicht. Allerdings besteht das Risiko, dass durch die Unruhen in den Golfstaaten ein Ölförderstaat ausfällt und die Rohölpreise erneut stark ansteigen.
3. Ist der zunehmende Fachkräftemangel eine Gefahr für die Unternehmen?
Der Fachkräftemangel wird die Gewinnentwicklung der Unternehmen bremsen. Wenn Personal knapp wird, dürften die Gehälter in einigen Berufsgruppen deutlich steigen. Da diese höheren Kosten nicht immer durch höhere Produktpreise ausgeglichen werden, drückt dies die Gewinnmargen.
4. Viele Unternehmen erzielen gute Gewinne. Sind Lohnerhöhungen derzeit angemessen?
Grundsätzlich ja. Branchen, die vom brummenden Export profitieren, wie die Auto- und Chemieindustrie oder der Maschinen- und Anlagenbau, beteiligen ihre Mitarbeiter bereits am Erfolg. Dies geschieht jedoch nicht über lineare Erhöhungen, sondern über Prämienzahlungen. Die Tarifabschlüsse fallen derzeit mit rund zwei Prozent deutlich niedriger aus, als zunächst erwartet wurde.
5. Rechnen Sie in den nächsten Jahren mit einem deutlichen Preisanstieg?
Wir werden in den nächsten Jahren höhere Inflationsraten sehen als in den vergangenen fünf Jahren. Angesichts steigender Preise für Rohstoffe, Energie und Lebensmittel müssen wir uns auf Inflationsraten von etwa 2,5 bis 3,5 Prozent einstellen und liegen damit dauerhaft über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent. Diese Werte rechtfertigen aber keine Hysterie. Jahrespreissteigerungen von fünf bis zehn Prozent sehe ich nicht.