Schon im 19. Jahrhundert war das Thema des künstlichen Lebens aktuell.
Im Jahre 1816 entwickelte die englische Schriftstellerin Mary Shelley einen legendär gewordenen Schauerroman um die Erschaffung künstlichen Lebens. Darin lässt sie ihren Protagonisten Victor Frankenstein vor einer entfesselten Wissenschaft warnen, vor dem Versuch des Menschen, sich zum Gott aufzuschwingen und Leben aus toter Materie zu schaffen. Fast zwei Jahrhunderte später ist die Warnung Frankensteins, der im Roman ein monströses Lebewesen aus totem Gewebe schuf, aktueller denn je - und dies nicht nur, weil auch 1816 Vulkanasche den Himmel über Europa trübte.
Bereits in der Antike und erst recht im Mittelalter suchten Alchemisten vergeblich, künstliches Leben zu erschaffen - wie das dämonische Menschwesen Homunkulus. Doch erst in unserer Zeit, mit der Entschlüsselung der Genome, vermag sich der Mensch tatsächlich anzumaßen, den göttlichen Funken des Lebens selber aus der Materie schlagen zu wollen. Was dem amerikanischen Biochemiker Craig Venter nun gelang, ist zwar nicht die Erschaffung neuen Lebens. Doch es ist immerhin die Schaffung einer neuen Lebensform. Es sei ein wenig wie Lego gewesen, hat Venter über das Verfahren gesagt. Es ist eine entlarvende Äußerung, die seine Experimente am Rande der Schöpfung auf eine mechanische Bastelei reduzieren. Leben, so suggeriert er, ist nichts weiter als ein Baukasten. Was für ein Irrtum!
Nun hält Wissenschaft niemals inne und folgt dabei nicht immer ethischen Gesetzen. Was steht ganz am Ende dieser Entwicklung, vielleicht viele Jahrzehnte in der Zukunft? Sicher nicht nur das gehorsame Bakterium, das brav CO2 aus der Luft frisst. Gewiss nicht nur die industrielle Nutzung von allerlei Synthetik-Einzellern, so problematisch bereits dies schon sein mag. Denn die künstlichen Geschöpfe mit ihrem veränderten Genom könnten in der Interaktion mit der freien Natur zu ungeahnten Monstrositäten mutieren.
Das Tor, das Craig Venter aufgestoßen hat, führt auf einen langen, gefährlichen Weg, an dessen dunklen Rändern auch militärische Interessen lauern. Stichwort Bio-Waffen.
Man muss wohl auch mit entsprechenden Experimenten am tierischen und irgendwann am menschlichen Genom rechnen. Es wird dann nicht nur darum gehen, Krankheiten und Alter entgegenzuwirken. Das perfekte Synthetik-Baby, nach Katalog zu bestellen, dürfte der ultimative Traum der Synthetischen Biologie à la Venter sein. Noch sind dies nur bedrohliche Utopien. Aber das war Shelleys Vision von der Erschaffung künstlichen Lebens auch einmal. Man wird neue Gesetze brauchen, vor allem aber eine neue Ethik des Lebens.