Die Expertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung will mit guten Ideen statt Verboten die Energiewende einleiten. Ziel ist es, die Mobilität zu erhalten
Wir werden auf Mobilität nicht verzichten können und wollen - und angesichts einer zusammenwachsenden Weltwirtschaft auch nicht sollen. Denn die entwickelten Volkswirtschaften sind auf Energieversorgung angewiesen, um die Lebensgewohnheiten in einer globalisierten Welt aufrechterhalten zu können.
Aber die Welt braucht keine Verbote, sondern gute Ideen. Innovation ist die große Chance für die deutsche und europäische Wirtschaft.
Der Verkehrssektor wird sich zu einer Hochtechnologiebranche entwickeln. Es gibt ungeahnte Wachstumsmärkte für klimafreundliche Automotoren, innovative Antriebstechniken und nachhaltige Mobilitätssysteme. Der Schlüssel liegt im technologischen Fortschritt. Neben der Verbesserung der Effizienz werden neuartige Antriebstechniken und -stoffe genutzt werden. Erneuerbare Energien wie Biokraftstoffe sowie neuartige Kraftstoffe, die nachhaltig produziert wurden und keine klimagefährlichen Treibhausgase freisetzen, werden eingesetzt.
Die Elektromobilität könnte Probleme lösen, wenn sie nachhaltig aus erneuerbaren Energien stammt. Durch die Stromspeicherung könnte das Problem der Volatilitäten - die Sonne scheint nicht immer, der Wind weht nicht immer - gelöst werden. Eine Voraussetzung wäre, dass es einen technologischen Durchbruch bei den Speichermedien gibt. Dann wird man Stromlieferungen aus fernen Ländern ersetzen können. Kommunen, Städte, Siedlungen könnten dezentral selbst Strom aus erneuerbaren Energien produzieren und ihn nach Bedarf nutzen. Die Architektur der Zukunft wird Häuser konstruieren, die mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen.
Die Politik geht zu halbherzig an die Sache. Der Automarkt litt schon vor der globalen Wirtschaftskrise an Überkapazitäten und nicht marktgerechten Produkten. Durch die Einführung der Abwrackprämie hat die Politik notwendige Konsolidierungen verzögert. Die Forschungsaufgaben der Autoindustrie sollten mit staatlicher Unterstützung erhöht werden. Deutschland erfüllt nicht das vereinbarte Ziel, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben. Sowohl der staatliche Anteil von einem Prozent (0,77) als auch der Anteil der Wirtschaft (1,77) wird nicht erfüllt.
Ein stärkerer Anreiz, Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu erhöhen, insbesondere in kleineren und mittelgroßen Unternehmen, könnte durch eine verbesserte steuerliche Abzugsfähigkeit erreicht werden. Statt Abwrackprämien sollten Zulassungsprämien für klimaschonende Antriebstechniken gezahlt werden. Andere Länder machen es vor und bezuschussen den Kauf eines Elektrowagens. In Frankreich wird jedes Auto, das maximal 60 Gramm CO2 ausstößt, mit 5000 Euro gefördert. China fördert die Anschaffung von Elektroautos mit bis zu 6500 Euro.
Der Schienenverkehr und der ÖPNV müssen stark unterstützt werden, insbesondere durch mit Investitionen in die Infrastruktur. Ab 2012 wird der Flugverkehr in den Emissionshandel einbezogen. Zusätzlich könnte Kerosin besteuert werden. Das wäre sinnvoll, da der Luftverkehr anders als die Bahn subventioniert wird.
Solange der Emissionshandel nicht für den Flugverkehr gilt und die Bahn durch Stromsteuern belastet wird, könnte eine Kerosinsteuer diese Fehlanreize ausgleichen. Eine Subventionierung des Luftverkehrs besteht darin, dass internationale Flüge, anders als Bahnfahrten, von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind. Zusätzlich sollte die Kraftfahrzeugsteuer stärker auf CO2 ausgerichtet werden. Die diskutierte Einführung einer Pkw-Maut sollte erst am Ende eines langfristigen Prozesses der Umgestaltung der Straßenfinanzierung stehen. Zunächst sollte über eine stufenweise Erweiterung mautpflichtiger Fahrzeuge um solche unter zwölf Tonnen nachgedacht werden. Die Einnahmen aus einer Pkw-Maut sollten aber zweckgebunden zur Finanzierung der Infrastruktur eingesetzt werden. Allerdings wirkt eine Pkw-Maut nicht automatisch klimaschonend, wenn nicht nach Fahrzeugarten und Emissionswerten unterschieden würde. Die Mineralölsteuer müsste im Gegenzug teilweise gesenkt werden.
Die Zukunft der Mobilität liegt nicht im Verzicht und nicht in der Rückkehr zu Heißluftballon oder Pferdekutsche, sondern in der Entwicklung neuer effizienter Verkehrstechniken und nachhaltiger Mobilität.
Prof. Dr. Claudia Kemfert, 41, leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.