Die Hamburger Behörden verfolgen unterschiedliche Pläne, um das Haus von Eigentümer Klausmartin Kretschmer zurückzubekommen und den Streit am Schulterblatt beizulegen.

Sternschanze. Die Stadt will den Konflikt um die besetzte Rote Flora jetzt offenbar mit aller Macht beenden. Selbst über ein Enteignungsverfahren wird in den Behörden nachgedacht. „Wir schließen das nicht mehr aus und setzen auf mehrere Optionen“, sagte am Donnerstag der Sprecher der zuständigen Finanzbehörde, Daniel Stricker. Flora-Eigentümer Klausmartin Kretschmer hatte zuvor über seinen Immobilien-Bevollmächtigen Gert Baer den Besetzern des Gebäudes in der Schanze eine Frist bis Mitte April zugestellt. Bis dahin sollen die linksautonomen Rotfloristen einen Besichtigungstermin mit Handwerkern und Sachverständigen ermöglichen. Man wolle den Keller erweitern und die Substanz des Gebäudes prüfen, teilte Baer dem Verein Rote Flora mit. Damit erhöhten Baer und Kretschmer – wie berichtet – im Poker um das ehemalige Theater den Druck auf die Stadt, die solche Ankündigungen als bewusste Provokation der streitbaren Besetzer wertet.

Im Dezember hatte schon die Ankündigung von umfangreichen Neu- und Umbauten an der Flora zu schweren Krawallen geführt. Aktivisten aus mehreren Bundesländern und sogar dem europäischen Ausland hatten für den Erhalt des linksautonomen Zentrums protestiert. Es war der vorläufige Höhepunkt einer längeren Auseinandersetzung zwischen Kretschmer und Senat. 2001 hatte er Gebäude von der Stadt für rund 190.000 Euro gekauft. Der damalige SPD-Senat wollte die besetzte Flora so aus dem Wahlkampf herausbekommen, weil die Opposition immer wieder von einem rechtsfreien Raum sprach, den die Stadt dort in der eigenen Immobilie dulde. Kretschmer ließ die Besetzer zunächst gewähren. Rund zehn Jahre später versuchte er dann aber die Flora wieder zurück an die Stadt zu verkaufen – doch die Preisvorstellungen lagen weit auseinander. Zuletzt bot der Senat 1,1 Millionen Euro, Kretschmer verlangte mehr und kündigte schließlich einen großen Umbau zu einem Stadtteilzentrum an.

Weil aber seine Umbaupläne aus Sicht der Stadt gegen den Kaufvertrag verstoßen, der eine Nutzung durch die Rotfloristen ausdrücklich vorsieht, pocht die Stadt inzwischen auf einen Rückkauf zum alten Preis von 190.000 Euro. Ein solches Wiederkaufsrecht stehe Hamburg laut Vertrag in einem solchen Fall zu, heißt es in der Finanzbehörde. Formal sei Herr Kretschmer daher gar nicht mehr Eigentümer, lautet ihre Argumentation. Eine allerdings gewagte juristische Interpretation, denn noch ist Kretschmer im Grundbuch eingetragen und damit sehr wohl Eigentümer. „Er hat jetzt aber die Pflicht, das zu ändern“, sagt Behördensprecher Stricker. Voraussichtlich schon in der kommenden Woche würden die Anwälte der Stadt daher eine Klage einreichen, um ihn gerichtlich zur Grundbuchänderung zu zwingen. Alternativ würde man aber auch andere Optionen prüfen, um den Konflikt zu beenden. Eben auch über ein Enteignungsverfahren.

Die jüngste Ankündigung Klausmartin Kretschmers, demnächst mit Handwerkern und Sachverständigen die Flora zu besichtigen, stößt unterdessen bei den linksautonomen Besetzern auf „relative Gelassenheit“, wie ein Sprecher sagte. Dazu rät auch der Mietrechtsspezialist Marc Meyer vom Verein Mieter helfen Mietern, der in engem Kontakt mit den Flora-Anwälten steht. „Ich würde darauf erst einmal gar nicht reagieren“, sagt Meyer. Denn rein rechtlich könnte Kretschmer nicht einfach so das Gebäude betreten. Weil er das ehemalige Theater 2001 bereits in einem besetzten Zustand von der Stadt gekauft habe, hätten die derzeitigen Nutzer ähnliche Rechte wie normale Mieter und könnten ihm dies verwehren. Eine Überlassung ohne Entgelt – so lautet der gängige Begriff dafür. Vergleichbar etwa mit dem Fall, dass Mieter Innenhöfe oder Dachböden nutzen – ohne explizit Miete dafür zu zahlen. Nach Einschätzung des Mieter-Anwalts müsste der Flora-Eigentümer erst klagen, um dann mit einem oft langwierigen Zivilverfahren eine solche Begehung durchsetzen zu können.

Sollte er dann tatsächlich von einem Gericht das Recht zur Besichtigung bekommen, müsste er dies wohl ohne Hilfe von staatlichen Stellen wie Polizei oder Bauprüfern versuchen, weil seine Eigentümerschaft nicht mehr anerkannt wird. „Es gibt daher unter keinen denkbaren rechtlichen Aspekten ein irgendwie geartetes schützenswertes Interesse des von Ihnen vertretenen Eigentümers, für Dispositionen und Maßnahmen bezüglich des Grundstücks hoheitliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen“, heißt es in einem Schreiben des Bezirksamts Altona an Baer.

Im Übrigen könne sich Kretschmer auch nicht auf mögliche Sicherheitsmängel berufen. Das Bezirksamt habe „seine bauaufsichtlichen Aufgaben auch in dieser Immobilie wahrgenommen und werde dies auch in Zukunft tun“.

Tatsächlich hatte es wohl schon mehrfach Besichtigungen der Roten Flora durch offizielle Stellen gegeben – ohne Probleme durch die Nutzer. „Dabei gab es nie irgendwelche Sicherheitsbedenken“, sagt Bezirkssprecher Nils Fischer. Und auch weiterhin werde es solche Kontrollen geben – allerdings ohne Kretschmer.