Die Rote Flora bleibt, die Frage ist nur, wie lange die Auseinandersetzungen um das Zentrum dauern.
Mancher kennt das Phänomen womöglich: Da klappert und scheppert es irgendwo am Auto. Doch statt die Sache mit einer Reparatur anzugehen, dreht man lieber das Radio auf, um das nervige Geräusch schnell loszuwerden. Was sich natürlich irgendwann rächt. So wie die Stadt und die SPD jetzt ein Problem einholt, das sie 2001 elegant verdrängt hatten: Damals geriet die seit 1989 besetzte Rote Flora in den Bürgerschaftswahlkampf. Die Immobilie gehörte der Stadt, und der rot-grüne Senat musste sich vorwerfen lassen, dort einen rechtsfreien Raum für Linksautonome zu dulden – während Parksünder gnadenlos abgezettelt würden. Statt aber auf ein legales Stadtteilprojekt mit vertraglichen Bedingungen zu dringen, verkaufte die Stadt das umstrittene Gebäude an den Immobilienprofi Klausmartin Kretschmer, der sich damals gern als Kulturinvestor bezeichnete.
Möglicherweise stellte er sich tatsächlich vor, dort als Förderer eines alternativen Stadtteilprojekts gefeiert zu werden. Doch der Glanz blieb aus, die Rotfloristen wollten mit ihm nichts zu tun haben. Heute pflegt Kretschmer mehr die Kultur des lukrativen Verkaufs: Mit immer neuen Nadelstichen gegen die Stadt pieksen er und sein Berater in die alte Wunde. Sie kündigen Umbauten an, wollen das Gebäude gegen den Willen der Nutzer renovieren und pochen dabei auf ihr Eigentümerrecht. Selbst wenn das alles Provokationen sind, um von der Stadt einen hohen Rückkaufpreis zu erzielen, darf nicht vergessen werden: Kretschmer hat das Haus gekauft und noch gehört es ihm. Mit juristisch waghalsigen Argumenten versucht die Stadt nun, ihm ein Eigentumsrecht abzusprechen. Mit seiner Bauvoranfrage habe er gegen den Geist des Kaufvertrags verstoßen, deshalb gebe es ein Rückkaufsrecht – so in etwa lautet die wacklige Begründung.
Ob die Stadt damit kurzfristig Erfolg haben wird, dürfte fraglich sein und ein Fall, an dem nur Juristen wirklich Freude empfinden können. Doch wie 2001 gilt: Eine Stadt wie Hamburg muss eigentlich so ein Stadtteilprojekt zulassen können – auch wenn häufige Krawalle es einem schwer machen können, dies zu akzeptieren. Aber die Rote Flora ist auch ein Projekt von mehreren Gruppen und keine geschlossene Front, die zu gewalttätigen Protesten neigt. Man kann daher auch als Konservativer mit dem Zentrum der Rotfloristen leben, wie CDU-Politiker in Altona mehrfach schon gezeigt haben. Gerade weil die selbstverwaltete Rote Flora ein Gegenmodell zu einer Stadtentwicklung geworden ist, die ein Viertel wie die Schanze immer mehr zu einem teuren Pflaster macht. Man muss dieses Gegenmodell nicht mögen; es zwingt aber immer wieder dazu, über den richtigen Weg zu debattieren, den eine Stadt wie Hamburg gehen kann, um für viele bezahlbar und lebenswert zu bleiben.
Gefragt ist daher jetzt eine vernünftige Lösung. Angesichts der maßlosen Forderungen von Kretschmer nach einer vielfachen Steigerung seiner Investition ist das juristische Säbelrasseln zunächst wohl die einzige Möglichkeit, die der Stadt bleibt. Das ist das Dilemma, das eben schon im Verkauf von 2001 begründet ist. So wie es jetzt aussieht, wird es zunächst auf ein längeres Patt hinauslaufen, bis Gerichte irgendwann einmal entscheiden. Vielleicht sieht Eigentümer Kretschmer aber auch ein, dass er mit seinen Vorstößen auf eine große Front der Ablehnung stößt. Man kann akzeptieren, dass er sein Eigentum verwerten will – unverhältnismäßige Gewinne auf Steuerzahlerkosten nicht.
Eine wichtige Aufgabe müssen in diesem Konflikt die Nutzer des Zentrums selbst erledigen. Dumpf mit Krawallen auf durchsichtige Provokationen zu reagieren wie im Dezember, lässt die inzwischen langsam gewachsene Akzeptanz der Roten Flora in der Stadt schneller wieder bröckeln als ihre marode Fassade.