Hamburg. Bewohner am Friedrich-Ebert-Hof leiden seit Jahren unter Sanierung. Jetzt wird es im Sommer besonders laut. So erklärt sich die Saga.

Überall gibt es Absperrungen, Baucontainer, Schuttstellen. Die Wohnanlage rund um den Friedrich-Ebert-Hof in Hamburg-Ottensen wirkt wie eine riesige Baustelle. An manchen Ecken haben sich die Arbeiter schon häuslich eingerichtet. Immerhin saniert die Saga den Wohnkomplex seit vier Jahren. Seit 2020 leiden die Bewohner wie berichtet unter Baulärm, Sperrungen, Dreck und Staub. Und wäre das nicht schon schlimm genug, kündigt das städtische Unternehmen nun für die Sommerferien wochenlange „lärmintensive Arbeiten“ an.

Die Betroffenen, die sich zu einer Mieterinitiative zusammengetan haben, sprechen von Schikane und prangern unhaltbare Zustände in dem Wohnquartier an. „Das Vorgehen macht uns fassungslos und extrem wütend“ schreibt die Initiative in einem Appell an den Saga-Vorstand, der dem Abendblatt vorliegt. Die Saga reagierte auf die Kritik, aber anders als erwartet.

Dauerbaustelle Ottensen: Saga-Mieter schockiert von Rammarbeiten in Ferien

Zum Hintergrund: Anlass für den neuen Frust der Mieter ist die Ankündigung, dass ein Durchgang, der vom Friedrich-Ebert-Hof zur Griegstraße führt, in den kommenden Wochen saniert werden soll. Damit gehen lärm- und staubintensive Arbeiten wie Stemm- und Rammarbeiten (Kernbohrungen) einher.

„Wie kann es sein, dass Sie – nachdem Sie die Sanierung des Durchgangs zweieinhalb Jahre (!) rücksichtslos in einem katastrophalen und für Fußgänger gefährlichen Zustand haben brachliegen lassen – ausgerechnet jetzt, zum Start der Hamburger Sommerferien, beschließen, eine solche Maßnahme durchzuführen?“, fragt der Mieterzusammenschluss in dem Brief.

Die Mieter kritisieren: „Wenn Sie einen Perspektivwechsel vornehmen und sich in die Lage der hier lebenden Menschen versetzen würden, würde Ihnen vielleicht auffallen, dass es bereits die dritten Sommerferien sind, in denen wir von massivem Lärm und Staub betroffen sind.“ Die Forderung der Initiative lautete daher, die Arbeiten auf die Zeit nach den Ferien zu verschieben. Das wird nicht geschehen, wie die Saga auf Abendblatt-Anfrage bestätigt.

Saga lehnt Verschiebung ab: Führe zu „erheblichen Verzögerungen der Baufertigstellung“

„Eine – wie nun kürzlich geforderte – Umplanung der Maßnahme würde zu erheblichen Verzögerungen der Baufertigstellung insgesamt führen, die nicht im Sinne der Mieterinnen und Mieter sein können. Eine Wiederaufnahme etwa von ausgesetzten Arbeiten direkt nach den Sommerferien wäre mit Blick auf die Verfügbarkeit der benötigten Gewerke nicht abzusichern“, erklärt Saga-Pressesprecher Gunnar Gläser.

Ein Ende der 37-Millionen-Euro-Gesamtbaumaßnahme ist für Sommer 2025 geplant. Ursprünglich war sie für zwei Jahre und somit bis 2022 vorgesehen. Für die enorme Verzögerung führt der Sprecher an, dass es sich um ein Projekt mit komplexen Bauabläufen mit heterogenen Bauteilaufbauten handle. Zudem sTehe man in Abhängigkeit von Dienstleistern, Lieferanten und Produktionsmöglichkeiten sowie anderen beteiligten Behörden.

Die Sanierung der unter Denkmalschutz stehenden Wohnanlage am Friedrich-Ebert-Hof in Hamburg-Ottensen sollte ursprünglich 2022 abgeschlossen sein. Derzeit ist der Plan, dass die Arbeiten auf der Dauerbaustelle noch bis Sommer 2025 gehen.
Die Sanierung der unter Denkmalschutz stehenden Wohnanlage am Friedrich-Ebert-Hof in Hamburg-Ottensen sollte ursprünglich 2022 abgeschlossen sein. Derzeit ist der Plan, dass die Arbeiten auf der Dauerbaustelle noch bis Sommer 2025 gehen. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Zum Vorwurf, warum die Arbeiten lange brachlagen und nun ausgerechnet in den Ferien angegangen werden, entgegnet er: „Hier werden zwingend notwendige bauliche Ertüchtigungen der Durchfahrt vorgenommen. Dazu müssen zwei Stahlträger ausgetauscht werden. Zur Bauvorbereitung waren zuvor umfangreiche statische Prüfungen und Berechnungen erforderlich. Der Prozess des Austausches war im Bauablauf eingeplant.“            

Saga verschenkt Schwimmgutscheine: „Das ist doch Realsatire“

Die Saga verweist zudem darauf, dass man auf die harsche Kritik der Mieter hin reagiert habe. Man habe mit der Baufirma vereinbart, nicht vor 9 Uhr anzufangen, üblich seien eigentlich Zeiten ab 7 Uhr, sowie sonnabends nicht zu arbeiten. Und völlig unabhängig von etwaigen Entschädigungsüberlegungen, die die Mieter nun fordern, habe man den Bewohnern eine Aufmerksamkeit angeboten.

So hat die Saga den Mietern für ihre Qualen folgendes Geschenk als Entgegenkommen angeboten: einen Gutschein für einen Freibadbesuch bei Bäderland in den Sommerferien – für ein Kind unter 16 Jahre in Begleitung eines zahlenden Erwachsenen. Das kam bei den Bewohnern, bei denen die Nerven ohnehin blank liegen, nun gar nicht gut an.

Hamburg-Ottensen: Mieter werfen Saga „bewusste Schikane vor“

„Das ist die Entschädigung für die vierten Sommerferien in Folge, die durch massive Bauarbeiten komplett zerstört werden?“, fragt Meike Becker. „Das ist doch Realsatire“. Und Nachbarin Daniela Sempert murmelt: „Ich habe nicht mal Kinder.“ Beide leben in der Saga-Wohnanlage, die 289 Wohneinheiten umfasst, seit rund 20 Jahren. Sie und ihre Mitstreiter werfen der Saga „bewusste Schikane“ der Mieter vor.

Man gewinne den Eindruck, als wolle das städtische Unternehmen Altmieter vergraulen. Letztere zahlen für Hamburger Verhältnisse fast paradiesische Mieten von 7 Euro pro Quadratmeter. „Neuvermietung werden hier für 12 Euro Kaltmiete abgeschlossen“, sagt Becker.

Saga Hamburg: Vorgesehene Mietanpassung auf 12 Euro wird nicht umgesetzt

Den Vorwurf weist die Saga weit von sich. „Einige Neumietverträge enthalten Anlagen, die eine Mietanpassung auf 12 Euro pro Quadratmeter nach Modernisierungsabschluss vorsehen können. Diese Mietanpassung beabsichtigt die Saga nicht umzusetzen“, stellt Sprecher Gunnar Gläser richtig. Das Mietenkonzept der Saga sehe vor, die Mietanpassung auch für die Bestandsmieter bei Erreichen einer Nettokaltmiete von 11 Euro zu kappen.

Derzeit liege der durchschnittliche Mietpreis in der Anlage bei 8,53 Euro pro Quadratmeter, teilt die Saga auf Abendblatt-Anfrage mit. Das soll gestaffelt auf zehn Jahre angehoben werden. Zudem verweist man darauf, dass sich die energetische Sanierung auf die Wohnkosten auswirke. „Die Saga steht als Bestandshalterin und Quartiersentwicklerin seit mehr als 100 Jahren für bezahlbares Wohnen, insbesondere für Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen. Wir legen hierbei sehr viel Wert auf eine lange Kundenbindung“, betont Gläser.

Wohnen in Hamburg: Mieterhöhung in Saga-Wohnungen geht „an die Substanz“

Die betroffenen Mieter sehen das anders. Sie berichten davon, dass seit der Baumaßnahme zahlreiche auch langjährige Bewohner ausgezogen seien. Und auch die gestaffelte Mietererhöhung empfinden sie nicht als gerecht. „In anderen Wohnquartieren, in denen die Saga auch energetisch saniert hat, wird es keine Mieterhöhungen geben“, verweist Becker auf die Augustenburger Straße, wo bei 7,50 Euro gedeckt wurde.

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„Für mich bedeutete die geplante Mieterhöhung eine Mehrbelastung von 120 Euro im Monat. So viel kann ich an Heizkosten gar nicht sparen, und mein Lohn steigt so nicht in den nächsten Jahren. Das macht mir Angst und geht an die Substanz“, sagt Daniela Sempert.

„Mieter helfen Mietern“ kritisiert: „Das ist ein typisches Saga-Verhalten“

Dass die Saga bewusst Mieter vergraule, um höhere Einnahmen zu generieren, kann der Verein „Mieter helfen Mietern“ in Hamburg so nicht bestätigen und hält es auch aufgrund der Erfahrung mit der Saga und der dortigen Haltung für unwahrscheinlich. Allerdings sieht man andere Fehler beim städtischen Unternehmen. „Das ist ein typisches Saga-Verhalten“, sagt Andree Lagemann mit Blick auf den Fall in Ottensen.

Sie arbeitet als Juristin bei dem Verein. Dort kennt man die Baustelle Friedrich-Ebert-Hof nur zur Genüge. „Das füllt hier einen Aktenordner“, sagt Lagemann. Rund 20 Betroffene vertritt allein ihr Verein. Und wenn die Juristin sich die Schriftstücke ansieht, sagt sie: „Die Kommunikation ist einmal mehr das Problem.“

Dass eine Sanierung von 300 Wohnungen viereinhalb Jahre dauere, sei an sich schon erstaunlich. Umso wichtiger wäre es, Baumaßnahmen langfristig anzukündigen, sie genau zu begründen und zu erklären. Lagemann ist sicher: „Wenn dann noch ein Enddatum genannt wird, ist die Akzeptanz bei den Mietern viel besser.“