Hamburg. Millionen Euro teurer Umbau sollte Fläche beleben. Das Gegenteil ist der Fall. Kritik an Bürokratie. Das wird gefordert.
Das ging schnell. Das Café im neuen Markthaus in Blankenese ist gerade eröffnet worden, da zieht der in Hamburg bekannte Betreiber bereits die Reißleine. Falk Hocquél, der hier eine Filiale von Schmidt & Schmidtchen unterhält, hat den Mietvertrag mit der Stadt bereits gekündigt.
Laut Abendblatt-Informationen läuft der Vertrag im September aus. Damit wäre die Fläche in dem 120 Quadratmeter großen futuristisch anmutenden Markthaus für rund 1,3 Millionen Euro von Oktober an leer – und das nach nur etwas mehr als einem Jahr. Dabei handelt es sich nicht um die einzige Baustelle im Zusammenhang mit dem Marktplatz, der für mehrere Millionen Euro umgebaut wurde.
Hamburg-Blankenese: Neue Bühne auf dem Markplatz nur mit Lärmgutachten nutzbar
Relativ verwaist, fristet auch die eigens errichtete kleine Bühne im hinteren Teil des Marktplatzes am Mühlenweg ihr Dasein. Hier sollten eigentlich Künstler und Gruppen aus Blankenese die Möglichkeit für kleine Auftritte erhalten. Eine kleine Jazz-Session am Freitag oder etwas Tanz am Markttag: Was nach einer schönen Idee klang, scheitert offenbar an damit verbundenen Auflagen.
Wer einen Auftritt auf der Bühne plant, muss dafür eine Genehmigung beim Bezirksamt Altona beantragen. Damit einher gehen jedoch strenge Lärmschutzauflagen. Musiker müssen demnach mittels Gutachten nachweisen, wie laut die Veranstaltung wird. Ein Lärmgutachten für einen Jazz-Auftritt beauftragen und bezahlen? Das klingt sicher schräg in manchen Ohren.
Blankeneser Marktplatz: Oldtimerfans nach Kampf zurück – unter Auflagen
Auch der Kampf der Oldtimerfans, zurück auf ihren Stammplatz zu dürfen, nahm teils skurrile Züge an. Die lose Gruppe traf sich vor dem Umbau regelmäßig auf dem Platz an der Blankeneser Bahnhofstraße. Danach sollte es plötzlich nicht mehr gehen. Am Ende rief die Gruppe sogar zu zivilem Ungehorsam auf.
Nach der Berichterstattung im Abendblatt konnte eine Lösung gefunden werden. Unter Auflagen wird die Veranstaltung nun vom Bezirk genehmigt – ohne Kosten in Rechnung zu stellen. Dafür mussten die Oldtimer-Freunde aber eine Stellplatz-Zeichnung einreichen und einen gemeinnützigen Verein finden, der sie als Antragsteller unterstützt. Zudem sind sie verpflichtet, Planen unter die Autos zu legen. Nach einer juristischen Prüfung durch das Rechtsamt gab es dann den Bescheid für ein Testtreffen. Später auch für weitere.
Chef der Interessengemeinschaft Blankenese übt Kritik: „Das ist so kein großer Wurf“
Oliver Diezmann kann als Vorsitzender der Blankeneser Interessengemeinschaft über all das nur den Kopf schütteln. „Der Platz wurde umgestaltet, um ihn mit mehr Leben zu füllen. Im Moment verhindert die Bürokratie genau das“, kritisiert er. Auch in Sachen Markthäuschen zieht er eine traurige Bilanz. „Ziel war es, das abgängige Häuschen zu ersetzen und an sieben Tagen eine geöffnete WC-Anlage zu haben“, fasst er den Minimalansatz für das Bauprojekt zusammen. „Das haben wir nicht erreicht.“
Schon jetzt seien die öffentlichen Toiletten, die vom Café betrieben werden, ständig zu. So hat das Schmidt & Schmidtchen am Montag und Donnerstag Ruhetag und schließt nach 17 Uhr – und damit eben auch die WCs. Mit der Kündigung sei zudem unklar, wie es ab Oktober weitergehe. „Jetzt haben wir ein Haus und keinen Betreiber mehr, einen Platz und eine Bühne, die nur unter vielen Auflagen genutzt werden können. Das ist so kein großer Wurf“, sagt Diezmann.
Bürokratieproblem: „Ehrenamtliche haben keine Lust mehr, etwas zu organisieren“
Dabei wäre der neu gestaltete Platz durchaus ein „Mehrwert zu vorher“, findet der Chef der Interessengemeinschaft. „Wenn man die Bürokratie abbaue.“ Genau das ist seine Forderung. Je kleiner und unkommerzieller eine Veranstaltung sei, desto weniger Auflagen sollte sie haben und desto kürzer sollten die Fristen für die Genehmigung sein, fordert Diezmann. „Wir brauchen dringend einen Bürokratieabbau und nicht jedes Jahr zusätzliche Vorschriften und Auflagen, sonst haben kleinere Veranstalter und Ehrenamtliche irgendwann keine Lust mehr, etwas zu organisieren.“ Er verweist dabei auf den Bezirk Hamburg-Mitte, wo es eine Art „Fast Track“ für kleinere Veranstaltungen gebe.
Auch aus der Altonaer Politik gibt es Kritik am Ergebnis der Umgestaltung. Katarina Blume (FDP), die schon mehrfach in diesem Fall aktiv war, sagt: „Die Überregulierung der Altonaer Verwaltung ist unerträglich.“ Sie empfiehlt, endlich bestehende Ermessensspielräume auszunutzen und Leben zuzulassen auf dem von Steuergeldern umgestalteten Platz. In südlichen Nachbarländern würde doch auch auf Marktplätzen all das stattfinden, was Menschen zusammenbringt, ohne dass sich daran jemand störe.
Blankenese: Café-Betreiber auf Markplatz schmeißt hin
Bürokratie beziehungsweise zu viele Auflagen sind auch im Fall der Café-Aufgabe mit im Spiel. „Wir haben das Interesse am Standort Blankenese nicht verloren. Wir werden auch in Zukunft so oder so weiter am Standort bleiben“, betont Falk Hocquél auf Abendblatt-Anfrage. Laut dem Unternehmer sind die Rahmenbedingungen wie die WC-Anlage oder Außerwerbung ein Problem. Zudem gebe es Planungsfehler und Bauschwächen, die in der Kombination mit den Pachtkosten keine wirtschaftlichen Realisierungschancen ergeben. „Wir hatten uns bereit erklärt, ein Projekt mit Leben zu füllen, das niemand mit Leben füllen wollte und konnte“, kritisiert er.
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Aus seiner Sicht wird es so auch ein Nachfolger nicht schaffen, den hohen Erwartungen gerecht zu werden. Hocquél schlägt deshalb eine Gesprächsrunde mit den entsprechenden Entscheidern (Politik, Verwaltung, Vermieter) und Betroffenen (Bürgerverein, Marktleute) vor, um Probleme und Perspektiven aufzuzeigen und eine gemeinsame Lösung zu finden.
Hamburg-Blankenese: Wie geht es mit dem Markthaus weiter?
Gespräche über die Zukunft des Markthauses scheint es in Blankenese schon zu geben: So sind laut Diezmann von der Interessensgemeinschaft Überlegungen bekannt, wie ein Konzept für den Betrieb der gewerblichen Fläche aussehen könnte, das sich trägt und die Anforderungen wie den WC-Betrieb gewährleistet.
Letztlich hat die Sprinkenhof GmbH als städtisches Unternehmen und Vermieter das Sagen und muss entscheiden, ob nun wie vor mehr als einem Jahr wieder ein Interessenbekundungsverfahren nötig ist, wann es startet und unter welchen Voraussetzungen nach einem Nachmieter gesucht wird. Auf Anfrage teilt die Sprecherin mit, dass ein solches Verfahren wie vor einem Jahr in Vorbereitung sei. Parallel gehe man auf Interessenten von damals zu und weise auf die erneute Möglichkeit einer Bewerbung hin.