Hamburg. Geschäftsführer des Trägervereins spricht über die Attacke auf die Einrichtung an der Königstraße. Wie sich die Situation entwickelte.
Ist es richtig, das Thema erneut öffentlich zu diskutieren? Wird er womöglich wieder ins Visier von Internet-Hetze geraten, namentlich genannt werden? Etwas verunsichert ist Martin Karolczak schon. Doch der Geschäftsführer des Trägervereins vom Jugendhaus in Altona hat sich erneut für den Schritt in die Öffentlichkeit entschieden. „Wir müssen über unsere Arbeit aufklären“, sagt er. Das ist ihm wichtig. Die Diskussion. Ein klares Bekenntnis.
Vor einigen Wochen hat man im Verein GWA (Gemeinwesenarbeit) St. Pauli ebenfalls diskutiert: Wie soll man sich nach einem offenbar rechtsextrem motivierten Angriff auf das Haus an der Königstraße verhalten? Auch damals entschloss man sich für den Weg in die Öffentlichkeit und eine gemeinsame Stellungnahme zahlreicher Vereine der Stadt, die sich mit dem Haus solidarisch erklärten. Zudem sendeten Politiker und die Bezirksamtsleiterin aus dem Rathaus Altona eine klare Botschaft an die unbekannten Angreifer. „Das hat gutgetan“, sagt Karolczak. Und heute? „Wir hoffen, dass sich die Aufregung bald legt und wir miteinander ins Gespräch kommen und reden.“
Rechte Attacke auf Jugendhaus in Hamburg-Altona: Jetzt spricht der Chef über den Angriff
Alles nahm seinen Anfang mit einem Bericht von Russia Today. Der in Europa seit 2022 verbotene russische Sender hatte in seinem Programm einen Beitrag über die Jugendeinrichtung gebracht. Darin ging es laut Karolczak, dem der Beitrag zugespielt worden sei, um die Förderung des neu gebauten Bauspielplatzes in Höhe von 1,57 Millionen Euro in Zusammenhang mit einem Angebot der Jugendeinrichtung für Trans*Kids. Der Tenor: Der Staat finanziere die Umerziehung der Kinder zur Bisexualität.
Der Beitrag wurde wiederum kopiert und fand sich auf zahlreichen Portalen wieder, berichtet der Geschäftsführer weiter. Auch auf YouTube entdeckte Karolczak plötzlich etwas dazu. Und er sah die vielen zugehörigen Hetzkommentare. „Eine Schande für Deutschland“, schrieben Nutzer beispielsweise.
„Wir konnten überhaupt nicht einschätzen, was das bedeutet“, erinnert sich der Geschäftsführer. Würden Leute vor dem Haus demonstrieren? Müssten sie Angriffe befürchten? Karolczak befürchtete eine Bedrohungslage. Man suchte Hilfe bei der Polizei.
Staatsschutz ermittelt nach rechtem Angriff auf Jugendeinrichtung in Altona
Der Staatsschutz wurde involviert. Die Einschätzung: Man brauche voraussichtlich nichts zu fürchten, berichtet Karolzcak. Da irrte man sich. Denn etwa zwei Monate später folgte der Angriff: Das Jugendhaus wurde mit Parolen beschmiert, auf den Rasen mit herausgezogenen Holzpfosten ein großes Hakenkreuz gelegt. Dass die Beschädigungen und Beschmierungen mit dem Beitrag und der Hetze in Zusammenhang stehen, darauf deutet ein Satz hin, der sich auf der Hauswand fand.
In unmittelbarer Nähe zur Fensterscheibe, auf der die Einrichtung mit einem großen Plakat auf das Angebot für Trans*Kids hinwies, stand: „Jeder soll machen was es will außer mit Kindern.“ Die Einrichtung ergriff sofort Maßnahmen zum Schutz der Kinder sowie der drei betroffenen Mitarbeiter im Haus. Die Gruppe traf sich zeitweise an einem anderen Ort. Es wurde Anzeige erstattet. und der Staatschutz ermittelt in dem Fall.
Rechte Attacke auf Hamburger Einrichtung: Termine werden nicht mehr veröffentlicht
„Das macht was mit einem“, sagt der Geschäftsführer des Trägervereins. Seither würde man einfach anders auf Leute blicken, die sich im Umfeld des neuen Bauspielplatzes an der Königstraße herumtreiben. Die Hetze entfalte Wirkung, auch in der Gesellschaft. Deshalb ist es Karolczak auch so wichtig zu betonen, dass es sich bei dem Angebot für Trans*Kids erst einmal um einen ganz normalen Teil der Jugendarbeit handle, und vor allem nur um einen Teil.
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„Jugendarbeit hat sich an alle zu richten, unabhängig von Religion, Behinderung oder Geschlecht“, erklärt Karolczak. Zudem handele es sich um ein ganz niederschwelliges Angebot, bei dem Kinder in einem sicheren Umfeld, einfach einmal in andere Rollen schlüpfen können. So gebe es beispielsweise eine Verkleidungskiste, aber das habe es doch schon in früheren Zeiten gegeben. An dem Angebot hält die Einrichtung fest. Allerdings veröffentlicht man aus Vorsicht keine Termine mehr und bittet zur Sicherheit um eine telefonische Voranmeldung.