Hamburg. Hamburger Polizei hat eine neue Gruppierung im Visier. Gegenüber anderen Drogenbanden sticht „HausDrei“ aus Altona aber heraus.

Dass sich in Hamburg Gruppierungen wie „HausDrei“ bilden, deren Mitglieder mit Rauschgift handeln, ist nichts Neues. Doch die Bande aus Altona sticht heraus. Der Grund: Ihre Selbstdarstellung.

Auf Internet-Plattformen propagieren die Mitglieder ihren Lebensstil, zeigen sich protzig mit Drogen und Waffen. Das schafft Bewunderung und generiert Nachwuchs. „Hier sind die Betreiber der Plattformen gefordert. Gerade wenn Kriminalität und Drogen verherrlicht werden“, sagt Jan Reinecke, Landesvorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), mit Blick auf Videos wie „2 Glocks“ von den Rappern Kalim und Shafo.

Polizei Hamburg: „HausDrei“ – Eine Drogenbande prahlt mit ihren Taten im Internet

„HausDrei“ in Altona – das ist für die einen hübsche Sozialarbeiterromantik in Backstein mit ehernen Leitsätzen wie „Toleranz“ oder „Respekt“. Für andere ist es Kulisse für Videos, in denen es um Mafia, Waffen und Drogen geht. Die Protagonisten dieser Werke sind Leute, teilweise mit „Knast-Erfahrung“, wie die Rapper Gzuz von der Hip Hop Gruppe „187 Straßenbande“, oder eben Shafo und Kalim.

Für die Polizei wurde das „HausDrei“ nach mehreren Schießereien interessant. Denn Beamte der Soko „Trinity“, bestehend aus Drogenfahndern und Ermittlern für deliktübergreifende, organisierte Kriminalität, entdeckten: Einige Beteiligte von Schießereien, die in Hamburg für Aufsehen gesorgt hatten, waren Teil von „HausDrei“.

Hamburg: Ermittler entdecken Zusammenhang zwischen mehreren Schießereien

  • Am 27. Juli 2022 trafen Kugeln aus einer Maschinenpistole den 27 Jahre alten Terry S. in einer Shishabar an der Lübecker Straße. Er erlag seinen schweren Verletzungen. Die Täter, zwei maskierte Männer, flüchteten. Mittlerweile steht ein Mann deswegen vor Gericht.
  • Am 21. September vergangenen Jahres schoss ein Killerkommando an der Slomanstraße auf der Veddel Hulisi B. mit einer Pistole der Marke Baretta In den Kopf, als der vom Fußballtraining kam. Er überlebte wie durch ein Wunder, ist aber fürs Leben gezeichnet.
  • Am 10. Januar dieses Jahres feuerten Angreifer in Tonndorf aus einem Fahrzeug heraus auf zwei Männer, die in einem vor einer Ampel haltenden SUV der Marke Audi saßen. Die Insassen, ein 26-Jähriger sowie ein 30 Jahre alter Mann, feuerten zurück, obwohl sie getroffen worden waren. Der gemeinsame Nenner: Einige Beteiligte standen mit dem „HausDrei“ in Verbindung.

„HausDrei“: Merchandising der neuen Hamburg Gruppierung erinnert an Hells Angels

Die Taten der neuen DRogenbande führen mittlerweile sogar zu einer Art Merchandising. Ein naher Laden stellte T-Shirts mit den Namen her. Zudem zeigen sogenannte Graffiti-Tags, das sind auf Wände gesprühte Schriftzüge, den Namen. In den wilden Songs der selbst ernannten Gangsta-Rapper wird „HausDrei“ besungen.

Das Ganze erinnert an die berüchtigte Rocker-Gruppierung Hells Angels, die unter dem Label „Red White“ – die Clubfarben – ordentlich Kasse mit bedruckten Kleidungsstücken wie T-Shirts, Taschen oder Schlüsselanhängern machte und ihre Bewunderer oder Unterstützer beglückte.

Die Altonaer Kultureinrichtung „HausDrei“ hat mit den kriminellen Aktivitäten hingegen nichts zu tun. Die Gruppe wählte diesen Namen in Anlehnung ihres Treffpunktes. Wieso? Das ist eben Trend. Eine Gruppe vom Jungfernstieg, die der Polizei Probleme bereitet, nennt sich 315er nach der Nummer eines Parkplatzes, an dem man sich getroffen hatte.„Was wir getan haben, macht die Runde“ heißt es in einem der Songs, in dem auch „HausDrei“ erwähnt wird. Und auch: „Wir halten alle zusammen“.

Drogenhandel in Hamburg: Schüsse auf 28-Jährigen zeigen die Brutalität der Bande

Zumindest daran hat die Polizei Zweifel. Die Schießereien sollen, so erfuhr das Abendblatt, Ausfluss von Betrug untereinander bei Drogengeschäften sein. Wie brutal es in solchen Fällen zugeht, hatte sich schon im April 2020 gezeigt. Damals wurde ein 28 Jahre alter Mann in der Fischbeker Heide durch einen Schuss ins Bein verletzt. Hintergrund waren Streitigkeiten im Dealermilieu. Es ging damals um „abgezweigtes“ Rauschgift.

So dürfte es, das vermuten die Ermittler, auch in den Fällen sein, die die Soko „Trinity“ beschäftigen. „Es ist oft einfach nur brutal banal“, sagt ein Kriminalpolizist. Denn Drogenbanden sind heute keine festen Gruppierungen mit einer klaren Hierarchie, wie die kurdischen Clans, die in den 1990er-Jahren in Hamburg die Heroinszene beherrschten. Es sind lockere Verbindungen, in denen jeder nach seinen Möglichkeiten Geschäfte macht. Dabei wechseln die Beteiligten von Deal zu Deal.

Verbindung zu Encrochat-Fällen? Das sagen die Ermittler der Polizei

Wie so etwas läuft, haben schon die Encrochat-Ermittlungen gezeigt. Es handelt sich um Fälle, die durch Erkenntnisse ausländischer Ermittlungsbehörden ins Rollen gekommen waren. Die hatten eine verschlüsseltes Chat-System geknackt, über das die Szene kommunizierte. Das brachte allein in Hamburg eine dreistellige Zahl an Drogen- und Waffenhändler ins Gefängnis. Allerdings gab dies erstmals einen erschreckenden Einblick, wie einfach die Kontaktaufnahme funktionierte und welches Ausmaß der Drogen- und Waffenhandel hatte.

Eine direkte Verbindung von der Gruppe „HausDrei“ zu den Encrochat-Fällen sieht die Polizei nicht. Und tatsächlich ist die Bande nur eine von mehreren solcher Gruppierungen in Hamburg.

Das war früher anders, weiß der Kriminologe Wolf-Reinhard Kemper. „Früher lief das meiste über den Kiez. Heute ist es dezentral.“ So haben viele Außenbezirke Hamburgs mit sozialen Brennpunkten ihre „Gang“. Und die Mitglieder lieben es, sich einen ausgefallenen Namen zu geben.

BDK-Landesvorsitzender: „Wie es in der großen Welt läuft, läuft es in der kleinen“

„Es handelt sich um eine unübersehbare Flut von Menschen, die aus sozial schlechten Verhältnissen kommen, die schlecht erzogen sind und deren einziges Ziel es ist, reiche und große Gangster zu werden“, sagt Kemper. „Sie schließen sich zu kleinen Gruppen zusammen, von denen es bereits viele gibt und die immer mehr werden.“

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Von Bob Geisler, André Zand-Vakili, Michael Arning und Dominic Berner

Das beunruhigt den BDK-Landesvorsitzenden Reinecke. „Wie es in der großen Welt läuft, läuft es auch in der kleinen Welt, im eigenen Stadtteil. Wir haben es da mit einer sehr flexiblen Szene zu tun, die immer neue Gruppen oder Nachwuchs generiert. Auch durch solche Videos wie 2 Glocks, die so eine Szene gerade für junge Leute mit wenig Perspektive extrem verlockend machen.“