Hamburg. Stadtteilschule Altona verlängert die Ferien, startet auf der Wiese und muss wochenlang improvisieren. Eltern beklagen mangelnde Infos.

Für die meisten der mehr als 270.000 schulpflichtigen Hamburger Kinder und Jugendlichen hat am Donnerstag nach sechs Wochen Sommerferien wieder der Unterrichtsalltag begonnen. Neben den Vorschülern sowie den kommenden Erst- und Fünftklässlern haben aber auch rund 650 Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule Altona bis zu diesem Montag verlängerte Ferien – in diesem Fall aber aus der Not heraus.

Denn, wie das Abendblatt bereits berichtet hatte, wurden an der Stadtteilschule die Ferien unfreiwillig um zwei Tage verlängert. Eigentlich hätte der propere, siebengeschossige Neubau (davon zwei unterirdisch) in der Neuen Mitte Altona ohnehin längst bezogen werden sollen, doch wegen massiver Probleme mit dem Wasseranschluss wurde der Einzug kurz vor Ferienbeginn einmal mehr gestoppt. Schulsenator Ties Rabe (SPD) sprach sogar von starker Schadstoffbelastung des Grundwassers.

Am Neubau für die Stadtteilschule Altona wird noch immer eifrig gewerkelt. Im Graben vorn rechts wurde erst vor wenigen Tagen das kontaminierte Wasser abgepumpt.
Am Neubau für die Stadtteilschule Altona wird noch immer eifrig gewerkelt. Im Graben vorn rechts wurde erst vor wenigen Tagen das kontaminierte Wasser abgepumpt. © HA/Jakob Drechsler | Unbekannt

Einmalig in Hamburg: Schüler zum Schulstart ohne Schule

Dass Hunderte Schülerinnen und Schüler zum Schuljahresstart ohne eigenes Gebäude dastehen – ein in Hamburg bis dato wohl einmaliger Vorgang. Nun gilt der 4. Oktober als Einzugstermin – sodass für die Übergangszeit schnell Lösungen gefunden werden mussten.

Denn ein vorübergehendes Zurück an den alten Standort an der Eckernförder Straße kam für die Stadtteilschule nicht infrage, schließlich waren die meisten Klassenräume dort bereits leer geräumt, die Materialien für den Umzug ins neue Gebäude verpackt und die bisherigen Räume fest für den neuen Campus Kieler Straße, eine Stadtteilschule mit Gymnasialzweig, eingeplant.

„Durch intensive Planungen während der Sommerferien haben wir es aber geschafft, dass alle Klassen mit Übergangsräumen und außerschulischen Lernorten versorgt werden konnten“, lautet das gemeinsame Kommuniqué von Schulbehörde (BSB) und Schulleitung, das auf der Homepage der Stadtteilschule Altona veröffentlicht und auch als Elternbrief herausgegeben wurde. Problem dabei: Nach Abendblatt-Informationen erreichte diese Information nicht alle betroffenen Schüler und Eltern zuverlässig.

Stadtteilschule Altona: Mangelnde Informationspolitik?

Und überhaupt scheint noch nicht allen Erziehungsberechtigten klar zu sein, wo ihre Kinder in den kommenden fünf Wochen nun tatsächlich unterrichtet werden. „Ich habe keine Ahnung, wo meine Tochter hinmuss“, sagte die Mutter einer Achtklässlerin am Donnerstag dem Abendblatt. Auch die Namen der neuen Klassenlehrer habe sie erst auf eigene Nachfrage erfahren. Als einzige Information habe sie bislang den Termin für den nachgeholten ersten Schultag erhalten. Dann sollen sich alle Jahrgänge nacheinander auf der grünen Wiese des Stadtteilparks im Schatten des Schulneubaus einfinden.

Gleiches galt zunächst auch für die neuen Fünftklässler, die statt einer Open-Air-Einschulung nun aber immerhin doch eine Feier in der Turnhalle der benachbarten Theodor-Haubach-Schule und anschließend ihre ersten Unterrichtsstunden in Räumen des Quartiersmanagements „Mitte Altona“ sowie im alten Schulgebäude erhalten. Sollte am Montag der nicht unwahrscheinliche Regenfall eintreten, soll ebenfalls noch einmal auf den alten Standort an der Eckernförder Straße ausgewichen werden, wie die Schulbehörde auf Anfrage mitteilte.

Auch am alten Standort Eckernförder Straße muss für die Nachfolgeschule Campus Kieler Straße noch einiges getan werden.
Auch am alten Standort Eckernförder Straße muss für die Nachfolgeschule Campus Kieler Straße noch einiges getan werden. © Jakob Drechsler | HA

Extra-Klassenreise als Geschenk der Behörde

Auch dies eine Info, die so offenbar noch nicht an die Elternschaft weitergegeben wurde. Eine andere achte Klasse hat da schon einen größeren Kenntnisstand, dort wurde bereits am 11. Juli ein erster Fahrplan übermittelt.

Demnach soll die Klasse in der ersten Woche in einem rund einen Kilometer von der Neuen Mitte entfernten Kulturzentrum unterkommen. Vor einer Projektwoche sowie einer Berufsorientierung und Heranführung an die neuen Fächer an jeweils noch unbekannten Orten steht dafür aber sogar ein echter Höhepunkt an: eine Extra-Klassenfahrt, deren Kosten von der Schulbehörde übernommen werden.

Das freut zwar auch die Eltern. Eine Mutter allerdings blickt den Wochen bis zum endgültigen Umzug dennoch mit Sorge entgegen. „Es werden wahnsinnig viele Stunden ausfallen, und mein Kind wird wahrscheinlich erst mal gar kein Mathe haben“, sagt sie.

Warten auf den Einzug: Nicht wenige Eltern sind skeptisch, dass der 4. Oktober gehalten werden kann.
Warten auf den Einzug: Nicht wenige Eltern sind skeptisch, dass der 4. Oktober gehalten werden kann. © HA | Jakob Drechsler

Im achten Jahrgang seien eigentlich drei Unterrichtstage bis jeweils 16 Uhr vorgesehen. In der Übergangszeit wird nun aber lediglich eine tägliche Kernzeit von 8 bis 14 Uhr sichergestellt. Rabes Zusage, dass es trotz der widrigen Umstände regulären Unterricht geben werde, kann sie vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehen.

Mutter: „Die Allerschwächsten trifft es am meisten“

Hinzu komme die unklare Essensfrage und dass sich an der Stadtteilschule etliche Schülerinnen und Schüler mit ohnehin erhöhtem Betreuungs- und Förderbedarf befänden. Diesen fehle es nun zum neuen Schuljahr auch an einer nötigen Orientierung.

„Die Stadtteilschule Altona ist kein Vorzeigegymnasium. Es gibt dort viele Kinder, die Stabilität, Förderung, sichere Orte und eine gute Betreuung brauchen“, sagt die Mutter. „Die Allerschwächsten trifft es am meisten.“

Zwar hat die BSB den einzelnen Klassen jeweils feste Interimsstandorte zugesagt. Wo sich diese im Einzelnen befinden, werden die Eltern und ihre Kinder in etlichen Fällen aber wohl erst am Montag auf der grünen Wiese erfahren. Dann wird auch die leidgeplagte Schulleiterin Andrea Lüdtke einige Worte über die aktuellen Vorgänge rund um den verzögerten Einzug der Stadtteilschule ins neue Gebäude verlieren.

Der Neubau der Stadtteilschule in der Neuen Mitte Altona ist noch ringsherum eingezäunt.
Der Neubau der Stadtteilschule in der Neuen Mitte Altona ist noch ringsherum eingezäunt. © HA | Jakob Drechsler

Ties Rabe wird dann allerdings fehlen – auch, nachdem der Schulsenator einen ursprünglich für diesen Tag vorgesehenen Termin an einer Grundschule in Lokstedt am Donnerstag kurzfristig absagte. Er habe sich aber fortlaufend über die Planungen an der Stadtteilschule Altona berichten lassen, heißt es aus Rabes Behörde.

Senator Rabe reagierte ganz und gar nicht begeistert

Und wie das Abendblatt erfuhr, soll der SPD-Senator am Tag der Bekanntgabe des verschobenen Umzugs ganz und gar nicht begeistert reagiert haben. Schließlich hatte sich auch der ehemalige Lehrer selbst schon fest auf einen Besuch der Eröffnungsfeier an der neuen Stadtteilschule Altona eingestellt.

Dass diese nun tatsächlich Anfang Oktober stattfinden kann, bezweifeln inzwischen immer mehr Eltern. Hinter vorgehaltener Hand wird bereits gemutmaßt, ob der BSB angesichts auch an anderen Stellen andauernder Arbeiten am Gebäude die Wasserproblematik als Begründung für eine schon länger absehbare Verzögerung ganz gelegen gekommen sein könnte. „Ich bin immer noch sehr skeptisch“, sagt eine der Mütter aus der achten Klasse über den Eröffnungstermin. Und an Senator Rabe gerichtet: „Es wäre nett, wenn er sich stellt.“