Hamburg. Statt einer temporären Halle sind an der Wichmannstraße sechs bis zu fünfgeschossige Wohnblöcke geplant. Der Unmut ist groß.
- An der Wichmannstraße in Hamburg-Bahrenfeld soll eine neue Flüchtlingsunterkunft entstehen
- 2025 sollen die ersten Bewohner einziehen
- Das geht einigen Anwohnern viel zu schnell. Sie fühlen sich von der Entscheidung überrumpelt
Es soll schnell gehen, sehr schnell – wenn es nach den Plänen der Stadt läuft. Auf dem ehemaligen Sportplatzgelände an der Wichmannstraße rollen auch schon erste Bagger. Vorbereitende Arbeiten wie eine Kampfmittelsondierung sind in Gange. Für Ende dieses Jahres ist der offizielle Baubeginn vorgesehen. Anfang 2025 soll die neue Flüchtlingsunterkunft in Hamburg-Bahrenfel dann bereits in Betrieb gehen.
Von den Plänen überrollt fühlen sich dagegen viele Anwohner. Mitten in den Sommerferien wurden sie kürzlich über das Bauprojekt während einer Veranstaltung informiert. Dabei war weniger die Nachricht neu, dass auf der Fläche eine Unterkunft entstehen soll. Das ist seit Ende vergangenen Jahres beschlossene Sache. Bislang war allerdings von einer Traglufthalle und einer vorübergehenden Unterbringung die Rede. Vorgestellt wurde nun aber etwas anderes.
Hamburg-Bahrenfeld: Flüchtlingsunterkunft mit 400 Plätzen geplant
Jetzt sieht der Plan der Hamburger Sozialbehörde so aus: Auf dem ehemaligen Sportplatz neben dem Schießstand des Hamburger Schützenvereins und angrenzend an die Steenkampsiedlung sollen in den kommenden Monaten insgesamt sechs bis zu fünfgeschossige Wohnblöcke entstehen. 127 Wohneinheiten mit Zwei- bis Fünfzimmerwohnungen werden demnach errichtet.
Ziel ist es, diese Wohnungen in zwei Schritten in geförderten Wohnraum umzuwandeln – und zwar möglichst alle Häuser nach vier Jahren. Zuvor soll der Wohnraum als dringend benötigte Unterbringung für Flüchtlinge dienen. Sollplatzzahl: 400.
Bürgerinitiative wehrt sich gegen die Größe der geplanten Flüchtlingsunterkunft
Der Unmut unter den Anwohnern ist groß. Eine Initiative hat sich gebildet und in einem dem Abendblatt vorliegenden Schreiben vom 8. August an den Bezirk sowie die Sozialbehörde gewandt. „Wir sind alle von den Plänen überrascht worden“, erklärt Katja Hummel als Sprecherin der Initiative. Sie betont: „Gegen die geplante Art der Unterkunft haben wir keine Einwände.“
Sozialen Wohnungsbau für Familien mit Migrationshintergrund zu schaffen, sei sinnvoll und nötig. Was die Bewohner sorgt, ist die geplante massive Bebauung direkt angrenzend an eine Siedlung, die unter Milieuschutz steht.
Hamburg-Bahrenfeld: Steenkampsiedlung steht unter besonderem Schutz
Denn die beschauliche Steenkampsiedlung steht unter besonderem Schutz als Gartensiedlung aus den 1920ern. Das ist für die Anwohner mit zahlreichen Auflagen zum Erhalt des Quartiers verbunden. Wer Veränderungen am Haus oder sogar dem Vorgarten vornimmt, braucht eine Genehmigung. Die dauern. Umso erstaunter nehmen die Anwohner wahr, wie schnell es jetzt vorangeht. Und wie hoch hinaus.
„Die geplanten Häuser sollen langfristig stehen bleiben und so sollte sich das Bauprojekt doch in das Stadtbild einfügen. Wie passen da fünfstöckige Gebäude zu?“, kritisiert Hummel für die Initiative, die bereits 100 Unterschriften in kurzer Zeit gesammelt hat. Höher als zwei Geschosse mit Dach sei hier kein Haus, wie Katja Hummel betont. Weiterer Kritikpunkt ist die Größe der Einrichtung mit 400 Plätzen.
Stadtteil Bahrenfeld mit fünf Unterkünften im Vergleich deutlich stärker belastet
Zumal es im Stadtteil Bahrenfeld in nächster Nähe bereits zahlreiche Unterkünfte gibt. Derzeit werden hier an fünf Standorten 1621 Plätze für Geflüchtete vorgehalten. Im Vergleich: Im ganzen Bezirk Altona sind es zurzeit 4108 Plätze. Damit ballen sich in Hamburg-Altona die Wohnunterkünfte für Flüchtlinge überdeutlich in Bahrenfeld.
„Es ist richtig, dass Bahrenfeld als Stadtteil mehr Plätze für Asyl- und Schutzsuchende bereithält als andere Stadtteile“, sagt Anja Segert, stellvertretende Sprecherin der Sozialbehörde, auf Anfrage. Die Zugangssituation aus 2022 und 2023 und die erwarteten Zugänge in 2024 führen dazu, dass die Sozialbehörde zurzeit jede Fläche und jedes Objekt, dass für die Unterbringung von Asyl- und Schutzsuchenden angeboten werde, nutzen müsse.
Hamburg wechselt Strategie bei Unterbringung von Flüchtlingen
Denn die Zahl der Geflüchteten, die Hamburg erreichen und untergebracht werden müssen, ist hoch. Das Ziel der Stadt ist, allein in diesem Jahr deshalb 10.000 neue Plätze zu schaffen. Dabei gibt es offenbar einen Strategiewechsel. „Seit einigen Monaten verfolgen wir auch den Ansatz langfristig (mehrjährig, dauerhaft) verfügbare Standorte zu entwickeln und gleichzeitig den geförderten Wohnungsbau aktiv voranzutreiben“, teilt Sprecherin Segert schriftlich mit.
Diesen Ansatz, den die Sozialbehörde nach Möglichkeit auch an weiteren Standorten verfolgen wolle, haben man „In Zukunft wohnen“ genannt. Unter diesem Begriff läuft auch das nach derzeitigen Schätzungen 35 Millionen Euro teure Bauprojekt an der Wichmannstraße.
Warum die Sozialbehörde von der ursprünglichen Idee einer Traglufthalle abgerückt sei? Dazu erklärt Segert: „Im Zuge der weiteren Prüfungen haben wir diese Lösung aufgrund anderer wirtschaftlicherer und nachhaltigerer Lösungen wieder verworfen.“
Bahrenfeld: Zweite Infoveranstaltung geplant, Behörde zeigt sich kompromissbereit
Um die Wogen zu glätten, ist nun ein zweiter Infotermin geplant. Am 28. August soll es um das Thema „Fluchtort Bahrenfeld“ gehen. Es werden unter anderem die Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg sowie die Staatsrätin der Sozialbehörde, Petra Lotzkat, erwartet. Der Veranstaltungsort wird laut Sozialbehörde noch bekannt gegeben, beginnen soll der Termin aber um 17.30 Uhr.
Während am Dienstag Bagger bereits ein Baufeld auf dem Gelände herstellten, zeigt sich die Sozialbehörde aber auf Abendblatt-Anfrage durchaus gesprächsbereit. Insbesondere die Geschossigkeit der einzelnen Gebäuderiegel und die Verkehrswege werden nochmals überprüft, sagt Segert. Man versuche, die Anliegen von Anwohnern wenn möglich umzusetzen.