Hamburg. Altonaer Gedenktafeln erhalten neue Texte. Lange Debatte im Kulturausschuss über eine zu negative Darstellung des Eisernen Kanzlers.

Die Tafeln an den Altonaer Standbildern des Eisernen Kanzlers Otto von Bismarck (1815–1898) und des Altonaer Oberpräsidenten Conrad Daniel von Blücher-Altona (1764–1845) erhalten neue Texte. Was sich wie ein einfacher formaler Akt anhört, ist das Ergebnis langer Diskussionen und Prüfungen. Dabei zeigt sich auch, wie kompliziert die politisch korrekte Geschichtsschreibung inzwischen geworden ist.

Bereits im Januar 2018 hatte die Bezirksversammlung Altona beschlossen, die Texte der bestehenden Tafeln überprüfen und gegebenenfalls ändern zu lassen. Zur Begründung hieß es in dem entsprechenden Antrag unter anderem: „Diese Denkmaltafeln sind Teil des Bildungsauftrags, der auch dem Bezirk obliegt, zum Beispiel im Rahmen von Schulführungen. Deshalb ist es wünschenswert, wenn ein unabhängiges Gremium die wissenschaftliche Aussage und Vermittelbarkeit der Inhalte auf den (…) Tafeln hinsichtlich Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft und beurteilt.“

Kolonialismus: Historikerinnen prüfen Texttafeln

Mit der Aufgabe wurde eine aus vier Historikerinnen bestehende Gruppe betraut, während die abschließende Umsetzung nach eingehender Prüfung wiederum einer Arbeitsgruppe des Kultur-Ausschusses oblag. Die Bezirksversammlung stellte dafür insgesamt 5000 Euro zur Verfügung.

Zwischenzeitlich spitzte sich die Diskussion um Bismarcks Funktion als Wegbereiter des Kolonialismus zu. Neben dem großen Bismarck-Denkmal im Elbpark geriet dabei auch das Altonaer Standbild an der Königstraße in den Fokus, das unter anderem, wie berichtet, mit roter Farbe verunstaltet wurde.

CDU stimmt für Textänderungen

Vor wenigen Monaten erreichten die Textvorschläge der Historikerinnen dann den Ausschuss – und bewirkten ein geteiltes Echo. Die ohnehin schon kritischen Texte sollten vor dem Hintergrund der Kolonialdebatte noch kritischer werden, was nicht unwidersprochen blieb. „Einigen von uns war das Ergebnis dann doch zu einseitig“ so die Altonaer CDU-Politikerin Kaja Steffens, die sich daraufhin für Änderungen an den Textvorschlägen einsetzte.

Diese wurden im Ausschuss mit deutlicher Mehrheit angenommen, nur die Linke stimmte dagegen. Zu Bismarck hatte der ursprüngliche Vorschlag gelautet: „Eine moderne Sozialgesetzgebung, aber auch ein repressives Sozialistengesetz, die Verfolgung von Katholik/-innen und die Diskriminierung nationaler Minderheiten prägten seine Innenpolitik.“ Auf Initiative der CDU wurde nun der Einstieg des Satzes geändert, der künftig lauten soll: „Die Schaffung einer modernen Sozialgesetzgebung (…).“

Diskussion um Bismarcks internationales Ansehen

Zur Begründung sagt Kaja Steffens: „Im ersten Text wurde unterschlagen, dass die Sozialgesetzgebung ja erst von Bismarck entwickelt worden war. Für uns las es sich so, als ob sie bereits bestanden hatte.“ Laut Steffens seien Bismarcks Verdienste und sein auch internationales Ansehen in den Textentwürfen ohnehin nicht mehr erkennbar gewesen.

So sollte ein anderer Satz lauten: „Auf Bismarcks Einladung hin fand 1884/85 die Berliner Konferenz statt, auf der die europäischen Mächte ihre Kolonialinteressen in Afrika untereinander aufteilten.“ Der Kulturausschuss änderte das in: „Auf Einladung Bismarcks konnte 1878 auf dem sog. Berliner Kongress eine Befriedung Südosteuropas ausgehandelt werden. 1884/85 fand die sog. Berliner Konferenz statt, auf der die europäischen Mächte ihre Kolonialinteressen in Afrika untereinander aufteilten.“

Irritiert hatte es Steffens auch, dass die Hamburger Ehrenbürgerwürde Blüchers auf der entsprechenden Tafel nicht erwähnt werden sollte., die ihm für seine Verdienste bei der Bekämpfung des Brandes 1842 verliehen worden war. Stattdessen waren ausführliche Passagen über die Verehelichung der Blücher-Kinder mit Kolonialfunktionären vorgesehen.

„Es ist zwar richtig, dass Geschichtsschreibung immer wieder durch neue Forschungsergebnisse ergänzt werden muss, aber nur noch die Schattenseiten zu beleuchten, ergibt dann doch ein schräges Bild“, sagt Kaja Steffens. „Eine einseitige, politisch motivierte Geschichtsklitterung nach heutigem, woken mainstream ist uns als CDU zu wenig, und dankenswerterweise folgen uns darin fast alle Parteien in Altona.“

Die Historikerin Frauke Steinhäuser, die zu der beauftragten Gruppe gehört, hält dagegen: „Unsere Tafeltextfassungen beruhen auf ausführlichen Recherchen, zahlreichen Archivquellen sowie dem aktuellen Stand der historischen Forschung.“ Steinhäuser weiter: „Gleichwohl nehmen wir das Votum der Bezirksversammlung zur Kenntnis und diskutieren es jetzt noch einmal intern.“